Diese Woche veröffentlicht die Gruppe ihr Debütalbum. Beim ersten Stormarner Band-Contest für Nachwuchskünstler hat sie es unter die letzten 20 geschafft.

Reinbek. Aus dem Verstärker neben dem riesigen Holzkreuz dröhnt der Sound von elektrischen Gitarren. Krachender Punkrock erfüllt das Gotteshaus. Dort, wo sonst der Pastor predigt, hauen vier junge Männer euphorisch in die Saiten ihrer Klampfen, dreschen taktvoll auf das Schlagzeug ein. Zwei mal die Woche verwandelt sich die evangelische Freikirche in Pinneberg in einen Proberaum.

"Erst war es eine Notlösung, in der Kirche zu proben, weil wir keinen anderen Raum gefunden haben", sagt Nils Togert, der 18 Jahre alte Drummer der Band "No Savvy". "Aber jetzt wollen wir gar nicht mehr raus. Es ist cool hier. Welche Band hat schon so einen großen Saal mit modernster Tontechnik zum Proben? Und das für lau!" Gegründet haben sich "No Savvy", was übersetzt "Keine Ahnung" bedeutet, vor zwei Jahren. "Vorher haben wir aber auch schon zusammen Musik gemacht. Da hatten wir noch eine Frontfrau und hießen 'First Aid'", sagt Gitarrist und Sänger Hannes Harder. Man habe sich "musikalisch auseinander entwickelt" und deshalb ohne die Sängerin weitergemacht. Der 25 Jahre alte Altenpfleger rückt sein Käppi zurecht, grinst und sagt: "Wir wollten eine härtere Gangart einlegen und weg von der Silbermond-Schiene." Hannes ist ein Freund davon, Dinge direkt beim Namen zu nennen. "So bin ich eben. Ich rede nicht gern lange um den heißen Brei rum." Auch der Sängerin habe er damals sofort gesagt, was Sache ist. "Inzwischen ist sie drüber weg, macht ihr eigenes Ding und ist ein Fan von uns."

Fans haben "No Savvy", die in keine Schublade passen wollen, schon jede Menge. Zujubeln konnten sie den Jungs im vergangenen Jahr bei 13 Konzerten, einige davon waren in Stormarn. "Stormarn ist ein Stück Heimat für mich, weil ich lange bei der Sozialstation Reinbek gearbeitet habe und bis heute viele Kumpels von mir in der Ecke wohnen", sagt Hannes, der wie seine Bandkollegen in Pinneberg lebt.

Ihren ersten Gig hatten "No Savvy" allerdings im Hamburger Logo. "Das war bisher unser geilstes Konzert", sagt Sinh Müller. Seinem Tonfall nach zu urteilen, klingt es, als spräche er über das gestrige Wetter. Unaufgeregt. Ohne jede Begeisterung. Nur die leuchtenden Augen des 19 Jahre alten Bassisten verraten, dass der Logo-Gig ein unvergessliches Erlebnis war. Lampenfieber habe er nicht gehabt. Weder beim ersten noch bei den darauffolgenden Konzerten. "Ich bin nie aufgeregt. Vielleicht liegt das an meiner Herkunft", sagt Sinh, der in Vietnam zur Welt kam. Die anderen Bandmitglieder beschreiben den Wirtschaftsingenieurstudenten als den Ruhepol der Gruppe. Allein wie er so vor einem sitzt, strahlt der junge Mann in den Bluejeans und dem mausgrauen Pullover etwas Beruhigendes aus. "Ich bin halt Bassist", sagt er trocken. Gibt es denn nichts, was ihn aus der Ruhe bringt? Sinh überlegt lange, kneift die Augen zusammen, als würde ihm dadurch schneller eine Antwort einfallen. Nach einer Weile sagt er: "Nein. Bisher hat mich noch nichts aus der Ruhe gebracht. Noch nicht mal eine Frau."

Anders als bei Nils. "Bei unserm ersten Konzert hat mich ein Mädchen mit ihrem BH beworfen", erinnert sich das "No Savvy"-Küken. "Die Unterwäsche kam aus dem Nichts. Und im ersten Moment habe ich mich ziemlich erschrocken. Aber besser mit einem BH beworfen zu werden, als mit Tomaten oder einer Blumenvase." Nils ist der Bruder von Torben. "Zu Geschwister-Streitigkeiten kommt es bei uns aber nicht", sagt Nils. Im Gegenteil. "Die Band verbindet uns noch mehr." Sein Bruder nickt. "Und viele Brüderpaare spielen in erfolgeichen Bands: Oasis, Tokio Hotel, Nickelback", zählt Torben auf. "Das ist doch ein gutes Omen." Wenn der 23-Jährige, der eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert, nach seinem größten Traum gefragt wird, fängt er an zu grinsen. "Bei einem großen Festival wie dem Hurricane als Headliner auftreten. Vor 80 000 Menschen, die alle unsere Texte mitsingen können. Das wäre der Hammer."

Bisher haben "No Savvy" 16 Lieder geschrieben. "In jedem Song steckt eine Botschaft", sagt Hannes. "Wir gucken nicht, was sich reimt und basteln das dann in unsere Texte." Nein, "No Savvy" erzählen Geschichten. Mal geht um sozialkritische oder politische Themen, mal um den Sinn des Lebens, mal um Frauen und die Liebe. "In dem Song 'You Idiot' geht es zum Beispiel um einen Typen, der im Knast sitzt. Der seine Chance vertan hat. Damit wollen wir sagen: Gerate nicht auf die schiefe Bahn, sondern mach' was aus deinem Leben." Die vier jungen Musiker wissen ganz genau, was für sie im Leben zählt. Ein guter Job. Familie. Freunde. Und natürlich "No Savvy". "Die Band steht für mich an erster Stelle. Sie ist mein Baby. Für sie würde ich mein letztes Hemd geben", sagt Hannes. Sein ernster Tonfall lässt keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint. Sein letztes Hemd hat er bislang nicht hergeben müssen. Aber er hat all seine Ersparnisse in das Debütalbum "The four Eye Principle" investiert, das ab kommenden Freitag im digitalen Handel erhältlich ist. "Das hat ein Schweinegeld gekostet. Aber ich bin mir absolut sicher, dass es das Richtige war und dass es sich gelohnt hat." Vorstellen werden die Vier ihr Album am kommenden Freitag ab 20 Uhr bei einer Release-Party im Hamburger Logo.

Und was ist ihr nächstes Ziel?

"Ein Riesenwunsch von uns ist, dass wir es unter die letzten Sechs bei MusicStorm schaffen und beim Open-Air-Konzert mitspielen dürfen", sagt Torben. Und natürlich würden sie am liebsten den ersten Preis gewinnen. "Aber überhaupt beim Konzert dabei zu sein, wäre der Hammer. Die Stimmung am Ahrensburger Schloss wird bestimmt verdammt geil", sagt Torben voller Vorfreude. "Das wird wie ein Junior-Hurricane-Festival."