Hamburg. Auf ihre Gewohnheiten hatte Andrea Schöpp auch am Tag der Entscheidung nicht verzichtet: 90 Minuten Fahrrad fahren, "in einem Wind der sich wie ein Sturm anfühlte", wie sie später lachend erzählte. Was sollte sie da noch umwerfen? Die Schottinnen jedenfalls nicht. Mit einem 8:6-Finalsieg hat Schöpp als Skip die deutschen Curlerinnen am Sonntagabend im kanadischen Swift Current zum WM-Titel geführt, der aus mehreren Gründen das Prädikat "historisch" verdient.

1988 in Glasgow war ihr dieser Triumph schon einmal gelungen. 22 Jahre später ist Schöpp eine promovierte Statistikerin von 45 Jahren und damit die älteste Weltmeisterin, die es in diesem Sport je gab. Und auch die jüngste Weltmeisterin kommt nun aus ihrem Team vom SC Riessersee: Stella Heiß (17), Tochter des früheren Eishockey-Nationaltorwarts "Peppi" Heiß.

"Wunderschön" sei das, sagte Schöpp und stieß bei Countrymusik mit Bier und Sekt auf den perfekten Saisonabschluss an: "Es fühlt sich einfach nur großartig an." Derart schwärmerisch erlebt man die siebenmalige Europameisterin selten. Bei den Winterspielen in Vancouver im Februar klagte sie über unfaire Zuschauer und die "nervigen" Bedingungen: "Amateur-Heinis wie wir treffen auf Vollblutsportler. Viele nehmen dich als Curler nicht für voll." Fernsehzuschauer konnten live mithören, wie Schöpp ihrer Garmischer Skikollegin Maria Riesch die Goldmedaille miesmachte: "Scheiße, immer wenn die gut fährt, verlieren wir." Schöpp kam nur auf Platz sechs und wurde von "Bild" zur "größten Olympiazicke" erklärt.

In der vergangenen Woche war sie wieder zurück in ihrer Welt. Der Medienrummel war überschaubar, das Publikum war fachkundig, und Riesch war auch nicht da. Andrea Schöpp musste nicht wie in Vancouver im Vorfeld erklären, wann sie Fahrrad zu fahren gedenkt. Die Universitätsangestellte hatte die Freiheiten, die sie braucht, um mit ihrem Amateurteam gegen ihre professionell spielenden Rivalinnen zu bestehen. Am Ende hatte sich ihre Erfahrung gegen den Elan der 19-jährigen Schottin Eve Muirhead durchgesetzt.

"Das können wir noch mal schaffen", glaubt Schöpp, "vielleicht ja in 22 Jahren." Warum eigentlich nicht?