Der 56-Jährige Präsident des DHB über mangelnde TV-Präsenz, neidische Niederländer und die Bedeutung der Hochburg Hamburg.

Abendblatt:

Herr Abel, Sie hatten das Glück, das WM-Finale der deutschen Herren in Indien am 13. März live zu erleben. TV-Zuschauern in Deutschland war das nicht vergönnt. Als Präsidenten des Deutschen Hockey-Bundes muss Sie diese Ignoranz doch maßlos ärgern.

Stephan Abel:

Natürlich tut es mir weh, dass es in der deutschen TV-Landschaft noch immer zu wenig Unterstützung für Liveübertragungen unseres Sports gibt. Wir definieren uns fast ausschließlich über unsere Nationalmannschaften, da ist es extrem bitter, wenn nicht einmal ein WM-Endspiel live zu sehen ist.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Hockey medial so stiefmütterlich behandelt wird? Immerhin ist der DHB der erfolgreichste Ballsportverband Deutschlands.

Das stimmt, und es ist ja nicht so, dass alle Medien uns ignorieren. Die schreibende Presse berichtet regelmäßig und durchaus fundiert. Selbst in den Sportsendungen des Fernsehens haben wir mittlerweile interessante Zeitfenster. Zudem ist Internet-TV zu einer interessanten Alternative geworden. Aber mit Liveübertragungen im Fernsehen tun wir uns schwer. Das liegt vor allem daran, dass die Entscheider glauben, die Hockey-Fanbasis sei zu klein. Bei der WM 2006 in Mönchengladbach waren Halbfinale und Finale live zu sehen, aber nur, weil wir den Bedürfnissen der Sender entsprochen haben.

Mag das Desinteresse auch damit zu tun haben, dass Hockey durch die komplizierten Regeln nicht zur TV-Massenware taugt?

Sicherlich sind einige Regeln für den Laien nicht sofort zu verstehen, aber dass Hockey nicht TV-kompatibel sei, ist falsch. Unser Sport ist rasant und spannend. Aber wir bieten den großen Partnern aus der Wirtschaft wohl nicht die Plattform, wie es beispielsweise der Wintersport tut, der ständig übertragen wird.

Was tun Sie, um diese Situation zu ändern?

Wir führen viele Gespräche, um zu überzeugen. Wir haben zudem für die Champions Trophy der Herren 2010 und die Doppel-EM 2011, die allesamt in Mönchengladbach stattfinden, einen sehr namhaften TV-Produzenten gewonnen. Der Abschluss wird in den nächsten Wochen bekannt gegeben. Es ist ein Unternehmen mit exzellenten Kontakten zu allen Sendern, das sich mit uns gemeinsam bemühen wird, unseren Sport besser darzustellen.

Haben andere große Hockeynationen eigentlich ähnliche Probleme zu beklagen?

Durchaus. In Australien, dem Land des neuen Weltmeisters, und auch in Spanien oder England ist die Situation vergleichbar. Und in den Niederlanden, wo Hockey einen höheren Stellenwert hat, übertragen die öffentlich-rechtlichen Sender häufiger.

Die niederländische Liga wird häufig als Musterbeispiel für funktionierenden Ligenbetrieb dargestellt. Was machen unsere Nachbarn besser als der DHB?

Es gibt eins, was sie besser machen: Die Spiele dort finden alle sonntags um 15 Uhr statt. Das würden wir in Deutschland auch gern schaffen, aber das Problem sind die großen Entfernungen. Ansonsten sind die Niederländer eher neidisch auf vieles, was die Bundesliga tut.

Ein Beispiel bitte!

In der niederländischen Liga spielen viele ausländische Stars, weil Sponsoren das ermöglichen. Das blockiert jedoch die einheimischen Talente, was die Holländer besonders immer dann merken, wenn sie bei großen Turnieren sehen, dass unsere jungen Spieler schon viel früher in ihren Klubs Erfahrungen mit großen Spielen sammeln.

Der Nachteil ist, dass die deutschen Spieler Amateure sind und deshalb im Leistungszenit ihre Karriere beenden. Wie kann man da gegensteuern?

Indem wir das Modell der dualen Ausbildung weiter fördern. Wir müssen versuchen, unseren Spielern während ihres Studiums Hilfestellungen zu geben und ihnen auch bei der Berufswahl unterstützend zur Seite zu stehen. In unseren Nationalteams haben wir bereits Mentoren, die die Spieler beraten, in vielen Vereinen wird dieses Modell ebenfalls bereits angewandt. Aber es ist noch immer ein großes Problem, dass die Spieler ihre Karrieren zu früh beenden, weil sie Sport und Beruf nicht mehr in Einklang bringen. Wir tragen Verantwortung dafür, das zu verbessern.

Wie erklären Sie sich, dass deutsche Hockeyspieler trotz nicht vorhandener Verdienstmöglichkeiten ihren Sport mit so viel Enthusiasmus und Erfolg ausüben?

Das liegt einerseits daran, dass unsere Athleten Werte wie Zusammenhalt, Ehrgeiz und Disziplin leben. Sie sind mit ihren Klubs verwachsen, und sie haben ein natürliches Verhältnis zur Leistung, das nicht durch Geld verwässert ist wie häufig im semiprofessionellen Bereich. Andererseits liegt es an der exzellenten Arbeit unserer Trainer. Die arbeiten stark im Kollektiv, die Kommunikation ist enorm intensiv, ebenso die Sichtung von Talenten. Darum beneiden uns Verbände aus der ganzen Welt und aus vielen anderen Sportarten.

Und dann kommt ein Fußball-Profiklub wie Hoffenheim und schnappt Ihnen den Bundestrainer weg.

Ja, damit muss man leben, das wird es auch in Zukunft geben, weil wir bei Weitem nicht die Gehälter zahlen können, die Profiverbände oder -klubs zahlen. Aber das ist auch eine Form der Anerkennung unserer Arbeit. Wir haben Bernhard Peters trotz laufenden Vertrags den Weg nicht verbaut und werden das auch in Zukunft nicht tun.

Haben Sie damals wenigstens eine Art Ablöse für ihn bekommen?

Nein. Ich gebe zu, dass wir in solchen Dingen manchmal noch etwas naiv sind. Aber bei zukünftigen Fällen wird es derlei Überlegungen sicherlich geben.

In Deutschland gab es im Winter eine kontroverse Diskussion um die Zukunft der Hallen-Bundesliga. Der DHB hat sich klar für die Fokussierung auf das Feld ausgesprochen, weil nur dort Fördergelder generiert werden, da Hallenhockey nicht olympisch ist. Verstehen Sie diejenigen, die den schleichenden Tod des Hallenhockeys befürchten?

Diese Menschen kann ich beruhigen. Wir werden auch in Zukunft Halle und Feld in guter Koexistenz haben. Das Problem im Winter war, dass wir bei den Herren im Dezember eine Champions Trophy und im März eine WM hatten. In solchen Ausnahmesituationen muss auch in Zukunft klar sein, dass die Bundestrainer das Recht haben müssen, ihren Kaderspielern die Teilnahme an der Hallensaison zu untersagen.

Aber ist nicht die Halle der Ort, an dem Hockey für die Fans interessant ist? Wenn die dann die besten Spieler nicht sehen, macht man sich ein funktionierendes Produkt nach und nach kaputt.

Die Halle ist nicht nur der Ort, wo attraktives Hockey geboten wird, sie ist auch für die technische Ausbildung unserer Spieler von enormer Bedeutung. Deshalb werden wir die Hallensaison auch immer als wichtigen Bestandteil betrachten. Umso wichtiger ist es, im Weltverband eine verlässliche Terminplanung hinzubekommen, um solche Ausnahmesituationen wie im Winter möglichst auszuschließen.

Sie sind auch Mitglied im Exekutivkomitee des Weltverbands FIH. Die Strukturreform, die dort derzeit umgesetzt wird, beinhaltet hoffentlich auch das Problem der Terminplanung.

Das ist einer der zentralen Punkte. Wir brauchen eine verlässliche Fünfjahresplanung, um zum Schutz unserer Athleten größere Terminfenster für internationale Turniere einzurichten.

Welches Standing hat der deutsche Verband in der Hockeywelt?

Da darf ich ganz unbescheiden sein: ein fantastisches. Unser Image in puncto Ausrichtung von Großereignissen ist enorm. Die Chancen, auch in Zukunft Topevents ausrichten zu dürfen, sind extrem gut. In Indien haben wir das gespürt, wir waren das mit Abstand beliebteste Team bei den Fans, was natürlich zuallererst am Auftreten unserer Jungs lag. Aber ich weiß, dass der Weltverband uns bedenkenlos jede Art von Turnier zuspricht.

Am Freitag haben Sie mit einem Festakt im Hamburger Rathaus das 100-jährige Bestehen Ihres Verbands gefeiert. Warum wurde Hamburg dafür ausgewählt?

Am 26. März 1910 fand in Hamburg der erste DHB-Bundestag statt. Da war es selbstverständlich, auf den Tag genau 100 Jahre später hierher zurückzukehren.

Und welche Bedeutung hat der Hockeystandort Hamburg heute, 100 Jahre später?

Eine überragende. Hamburg ist die Hochburg des deutschen Hockeysports. Hier gibt es die meisten und ältesten Klubs, mit dem Uhlenhorster HC sogar eines der DHB-Gründungsmitglieder. Sehen Sie sich doch nur an, wie viele Hamburger Klubs in den Bundesligen spielen, wie viele die Endrunden erreichen und international vertreten sind. Dazu haben wir mit den Hamburg Masters ein jährliches internationales Topturnier. In Hamburg ist die Struktur gekennzeichnet durch den Willen, das Hockey vorbehaltlos zu unterstützen. Das schätzen wir besonders.