Seit 1994 ist der 38-Jährige nach einem Betriebsunfall querschnittsgelähmt. Mit seinem 20 000 Euro teuren Monoski eilt er von Sieg zu Sieg.

Whistler. Erst konnten weder der Wind noch eine Eispiste Martin Braxenthaler stoppen, dann versuchte es Pressesprecherin Marketa Marzoli vergeblich. Beflügelt von seiner zweiten Goldmedaille im zweiten Rennen bei den Paralympics in Vancouver, redete der beste Monoski-Fahrer der Welt wie ein Wasserfall.

Ohne Punkt und Komma erzählte er in urbayerischem Dialekt ("Braucht Ihr Untertitel?") zur großen Erheiterung seines Publikums das komplette Riesenslalomrennen nach. "Pressekonferenzen sind oft so langweilig", sagte Braxenthaler und beantwortete die Frage, ob er seine mentale Stärke der Arbeit mit einer Expertin verdanke, auf seine ganz eigene Art. "Ich arbeite mit einer Psychologin zusammen. Aber ich muss ihr öfter zur Seite stehen als sie mir."

Die mentale Stärke war beim erneuten Sieg des 38-Jährigen der entscheidende Faktor. Als Zweitplatzierter des ersten Durchgangs machte er sich bei ohnehin schon fast irregulären Bedingungen gerade zum Start bereit, als der Wind richtig aufdrehte und er abgewunken wurde. Die Zielfahne war davongeweht, Schutzbanner flogen durch die Gegend, Tore lagen flach am Boden. Fast eine halbe Stunde musste Braxenthaler bis zur Starterlaubnis warten, "und ich hab nur gedacht, jetzt brecht das Ding bloß nicht ab".

Dann nahm er allen Mut zusammen, "denn Taktieren bringt ja nix", und fuhr mit einem fulminanten Lauf zum Gold. Kur hinter der Ziellinie stürzte er und reckte nach einem kurzen Blick auf die Ergebnistafel den Stock in die Höhe. "Die Wetterkapriolen waren etwas nervig. Aber Paralympics sind kein Luxusurlaub", so "Breggsi".

Kein Wunder, dass der Bayer mit dem spektakulärem Fahrstil einer der Lieblingsathleten von Sir Philip Craven, dem Präsidenten des Internationalen Paralympischen Komitees, ist: "Breggsi? Bei dem mag ich nicht nur den Namen!" Ein entscheidender Faktor in seiner Karriere, einer der erfolgreichsten der Paralympics-Geschichte, ist technisches Verständnis. Braxenthaler ist ein Tüftler, ein Detailversessener mit großem Sachverstand.

"Wir nutzen das Know-how aus den höchsten Klassen des Motorsports. Das ist High Tech, über Jahre ausgereift und bewährt und immer wieder modernisiert", sagt der ehemalige Automechaniker: "Ich benutze Dämpfelemente, die in der DTM oder bei der Dakar-Rallye eingesetzt werden, und Karbonteile wie bei den 24 Stunden von Le Mans. Ein Bekannter ist Werkstattleiter, da arbeiten wir mit der besten Technologie aus dem Quadbereich und pimpen sie mit Snowboard-Elementen."

Rund 20 000 Euro kostet das Monoski-Modell, mit dem Braxenthaler seine Rennen bestreitet. "Mit Material aus dem Breitensport kann ich nix reißen", sagt der passionierte Golfer, dem bei einem Arbeitsunfall 1994 Ziegelsteine auf den Rücken fielen und die Wirbelsäule zertrümmerten. Seitdem ist er querschnittsgelähmt.

Bei seinem Modell ist alles bedacht. Eine Beinschale schützt vor den Stangen beim Slalom und der Kälte. Ein Stoßdämpfer federt Schläge bei Unebenheiten oder Sprüngen ab. "Das ersetzt zwei gesunde Knie durchaus gut, auch wenn gesunde Knie besser wären", sagt Braxenthaler. Sein Monoski ist so ausgereift, dass die Konkurrenz gern mal spioniert. Stoppen konnte sie ihn bisher aber ebenso wenig wie der Regen, der Wind oder Marketa Marzoli.