Hamburg. Eddie Chambers war zwölf Jahre alt, als er einen Entschluss fasste, der seine sportliche Karriere prägen sollte. Mit seinem Vater Eddie Senior, einem früheren Boxprofi, sah sich der US-Schwergewichtler damals am liebsten Filme von alten Boxkämpfen an. Am meisten faszinierten ihn dabei die Sportler, die ihre Fäuste sprechen ließen, anstatt außerhalb des Rings große Sprüche zu klopfen. "Ich wog damals vielleicht 40 Kilogramm, aber ich habe mir geschworen, Weltmeister im Schwergewicht zu werden und mich immer wie ein Gentleman aufzuführen", sagt Chambers rückblickend.

Den zweiten Teil seines Versprechens hat der 27-Jährige bislang eingehalten, den ersten möchte er an diesem Sonnabend (22.05 Uhr, RTL live) umsetzen. In der Düsseldorfer Esprit-Arena - 46 000 von 51 000 Tickets sind schon verkauft - fordert Chambers IBF/WBO-Weltmeister Wladimir Klitschko (33, Ukraine) heraus. Natürlich hat er im Vorfeld betont, dass er sich den Sieg zutraue und "die Welt damit schocken" wolle. Aber das unsägliche verbale Trommelfeuer, das US-amerikanische Schwergewichtsboxer vor ihren Auftritten in Europa gern abfeuern, hat er sich verkniffen. Stattdessen tritt der lediglich 185 cm große Normalausleger in der Öffentlichkeit stets höflich, zurückhaltend und respektvoll auf.

Mit dieser erfrischenden Art konnte Chambers im Juli 2009 auch die Herzen der Hamburger Boxfans erobern. In der Color-Line-Arena besiegte er den Ukrainer Alexander Dimitrenko aus dem Universum-Stall über zwölf Runden klar nach Punkten und sicherte sich damit das Herausforderungsrecht für den jüngeren Klitschko-Bruder. Es war ein Sieg, der aus dem unterschätzten Kämpfer einen ernst zu nehmenden WM-Anwärter machte.

Es war ein langer Weg für das älteste von acht Geschwistern. Den Traum von einer Karriere als Football- oder Basketballprofi musste Chambers früh aufgeben, da er seine Eltern mit diversen Nebenjobs beim Durchbringen der Familie unterstützen musste. Die harte Kindheit und Jugend in Pittsburgh prägte ihn dermaßen, dass er von seinen Börsen regelmäßig Teile zugunsten karitativer Einrichtungen abzweigt. "Ich will denen helfen, die nicht wissen, woher sie die nächste Mahlzeit bekommen", sagt er.

Als 14-Jähriger startete Chambers seine Amateurkarriere, die er nach 85 Kämpfen innerhalb von vier Jahren beendete. Mit 18 wurde er Profi. Das Glück seines Lebens, das der gläubige Christ gern als "göttliche Fügung" bezeichnet, kam in Person seines heutigen Trainers Robert Murray zu ihm. Dieser finanzierte der Familie im Jahr 2001 den Umzug von Pittsburgh in die Boxkapitale Philadelphia, wo Chambers sich einen Namen machte und nach und nach die Ranglisten hinaufboxte. Seine Beharrlichkeit brachte ihn schließlich im Januar 2008 nach Berlin. Dort unterlag er im Finale eines Ausscheidungsturniers des Weltverbands IBF allerdings dem Russen Alexander Povetkin nach Punkten - seine einzige Niederlage in 36 Profikämpfen. Die Ernsthaftigkeit, mit der er die nachfolgenden fünf Kämpfe gewann, unterstreicht die Lernfähigkeit des Mannes, dessen Spitzname "Fast" auf seine größte Stärke hinweist: seine Schnelligkeit.