Am 24. April boxt Weltmeisterin Susi Kentikian wieder in Hamburg. Die 22-Jährige fordert die dreifache Titelträgerin Nadia Raoui.

Hamburg. Es passierte Ende Februar im Trainingslager im österreichischen Sölden. Susi Kentikian spazierte durch die Straßen des Touristendorfes in Tirol, als sich ihr ein junger Mann in Begleitung seiner Freundin näherte. Kaum hatte der Einheimische die Fliegengewichts-Weltmeisterin aus dem Hamburger Universum-Stall erkannt, rief er in voller Lautstärke: "Da ist ja Susi Kentikian!" Die Freundin blickte verstört, die Boxerin lachte, winkte und dachte bei sich: "Es ist Wahnsinn, was ich in meinem Leben erreicht habe." Anekdoten wie diese erlebt die gebürtige Armenierin häufig; noch öfter, seit sie als Werbefigur für "Milchschnitte" auf allen TV-Kanälen zu sehen ist. "Mittlerweile erkennt mich auf der Straße jeder Zweite. Selbst wenn ich mich unter einem Baseballcap verstecke", sagt sie.

Susi Kentikian (22) hat hart gearbeitet für diesen Erfolg, den sie jetzt genießt, und sie findet am wichtigsten, dass ihr die Arbeit im Ring noch immer großen Spaß macht. "Ich freue mich auf jede Vorbereitung, ich mag das Training wie am ersten Tag." Die lange Pause seit ihrem letzten Kampf im Oktober habe ihr dennoch gut getan, vor allem für den Kopf. "Ich konnte das Boxen mal vergessen und mich um das kümmern, wozu ich Lust hatte", sagt sie. Freunde treffen, Shoppen gehen oder einfach nur faulenzen - die kleinen Dinge des Lebens, die im stressigen Alltag zu oft untergehen.

Jetzt jedoch ist die 1,53 m große Powerfrau voll der Vorfreude auf den 24. April. In ihrer Wahlheimat Hamburg, dort, wo sie immer noch am liebsten boxt, trifft sie auf Nadia Raoui. Die 24 Jahre alte Hernerin hatte in den vergangenen Monaten immer wieder das Duell mit der Dreifach-Weltmeisterin der Verbände WBO, WBA und WIBF gefordert. "Es ist doch schön, dass sie bissig und selbstbewusst ist. Ich liebe Gegnerinnen, die auch zum Kämpfen kommen und sich im Ring nicht verstecken", sagt Kentikian. Das Wilde, Stürmische, das Raoui auszeichne, sei ja früher auch ihr Markenzeichen gewesen. "Aber ich habe das Gefühl, dass ich mich weiterentwickelt habe. Ich bin viel ruhiger und variabler geworden."

Das Video: Susi Kentikian macht Werbung für Milchschnitte

Mit Trainer Magomed Schaburow, "dem einzigen Menschen, der weiß, was wirklich in mir steckt", hat sie in den vergangenen Wochen weiter daran gefeilt, das Aggressive in ihrem Stil beizubehalten, aber dabei clever zu boxen. "Meine Linie darf nicht mehr sein, tausend Schläge abzufeuern und hundert zu treffen. Ich muss von zehn Schlägen neun treffen", sagt sie. Schaburow habe ihr auf diesem Feld eine Menge beigebracht, auch habe sie Schläge gelernt, von denen sie zu Beginn ihrer Profikarriere vor fünf Jahren nur geträumt habe. Das Wichtigste sei aber ihr eigener Wille. "Wenn ich etwas schaffen will, kann mich niemand aufhalten. Das ist Kopfsache", sagt sie. Der Beweis ist ihre Biografie.

Kentikian wird gegen Raoui ihren ersten Live-Kampf im ZDF bestreiten. Über diese Wertschätzung freut sie sich sehr, auch weil sie für die eigene Zukunft wichtig sein könnte. Ihr Promoter Universum ringt derzeit um eine Fortsetzung der bis 31. Juli vertraglich fixierten Zusammenarbeit mit dem ZDF. Sollte es keine Lösung geben, ist Kentikian vor der persönlichen Zukunft jedoch nicht bange. "Für mich wird es schon weitergehen. Aber ich wünsche mir natürlich, dass es auch mit Universum weitergeht", sagt sie. Ihren Plan, wegen Gegnerinnenmangels eine Gewichtsklasse aufzusteigen, würde sie ebenso gern zum Jahresende umsetzen wie den Traum, einmal in den USA zu boxen. Ein starker Partner wäre da hilfreich. Letztlich jedoch ist auch das nur eine Kopfsache.