Einen Tipp gibt man gemeinhin zum Schluss einer Analyse ab. Ich will meinen für die am Sonntag in Neu Delhi startende WM dennoch vorweg nehmen. Ich traue der jungen deutschen Mannschaft durchaus zu, Historisches zu vollbringen und als erste Nation in der Hockey-Geschichte zum dritten Mal in Serie den WM-Titel zu gewinnen. Das variable Offensivspiel, die taktische Variabilität und die konsequente Deckungsarbeit werden es jedem Gegner sehr schwer machen, die Männer von Bundestrainer Markus Weise zu besiegen.

Natürlich hat sich die junge Mannschaft seit dem Olympiasieg 2008 in Peking auf entscheidenden Positionen verändert. Ohne Timo Wess, die Zeller-Brüder Christopher und Philipp, Sebastian Biederlack und Florian Keller fehlen starke Eckpfeiler. Aber es sind hoffnungsvolle Talente nachgerückt. Mit Max Müller, Martin Häner, Tobias Hauke und Matthias Witthaus gibt es eine starke zentrale Achse und mit Max Weinhold einen der stärksten Torhüter der Welt.

Die vier WM-Teilnehmer aus Hamburger Klubs gehen mit unterschiedlichen Voraussetzungen ins Turnier. Moritz Fürste vom Uhlenhorster HC war schon 2006 in meinem WM-Kader. Er ist zu einem der stärksten Spieler der Welt gereift und dank seiner technischen Raffinesse aus dem Team nicht wegzudenken. Sein Klub- und Sturmkamerad Philip Witte besticht durch enorme Schnelligkeit, die ihn im Konterspiel unverzichtbar macht. Für ihn spricht die Flexibilität, er kann auch im Mittelfeld eine Rolle spielen. Gespannt bin ich auf UHC-Stürmer Florian Fuchs, der als 18-Jähriger bei der Champions Trophy in Australien im Dezember erstmals international auf sich aufmerksam machte und mit seinem Torriecher wichtig werden kann. Torhüter Tim Jessulat vom Club an der Alster ist als Nummer zwei hinter Weinhold stets zuverlässig und konstant. Zudem ist er als "Mister IT" Ansprechpartner für technische Probleme, was auch eine wichtige Aufgabe ist.

In der Vorrundengruppe A muss sich das deutsche Team gegen Argentinien, Kanada, Südkorea, Neuseeland und die Niederlande behaupten. Meiner Ansicht nach dürften dabei die Koreaner der härteste Konkurrent werden und uns ins Halbfinale folgen. Sie sind athletisch sehr stark, stehen tief im Raum und haben das vielleicht beste Konterspiel der Welt. Die Niederlande, als Erzrivale immer ein interessanter Gegner, schätze ich dagegen nicht so stark ein. Sie sind in vielen Passagen leicht auszurechnen, zudem soll es im Team Unstimmigkeiten geben. Argentinien hat sehr kreative, technisch gut ausgebildete Spieler, die unter Druck allerdings oftmals die Kontrolle verlieren und sich aus dem Konzept bringen lassen. Interessant wird der Auftritt Neuseelands werden, das leider auf seinen besten Stürmer Simon Child verzichten muss, der die Bedingungen in Indien nicht als sicher genug einschätzt. Das Team hat athletisch und taktisch in den vergangenen Jahren einen enormen Sprung gemacht. Die Spieler stehen in ihrer Raumdeckung stabil im Halbfeld, kontern schnörkellos und könnten die Überraschung des Turniers werden. Diese traue ich Kanada nicht zu, obwohl sie mit Joachim Mahn vom Club an der Alster einen Toptrainer als Defensivcoach für die WM gewinnen konnten. Fehlende Spielpraxis auf hohem Niveau wird ihnen zum Verhängnis werden.

Ein kurzer Blick in die Vorrundengruppe B, wo sich Australien, England, Indien, Pakistan, Südafrika und Spanien um die Halbfinalplätze streiten. Dort ist Australien als amtierender Champions-Trophy-Gewinner Topfavorit. Die Mannschaft spielt in Offensive und Defensive extrem hohes Tempo und versucht immer, das Spiel zu dominieren. Den technisch unglaublich beschlagenen Indern traue ich dank des Heimvorteils den Sprung in die Vorschlussrunde zu.

Erlauben Sie mir noch ein paar Gedanken zu den äußeren Umständen in Indien. Natürlich spielt die Terrorgefahr im Unterbewusstsein eine Rolle. Kein Spieler kann sich davon frei machen. Es wird wichtig sein, dass die Jungs alle Verhaltensmaßregeln befolgen. Der Deutsche Hockey-Bund wird alles getan haben, um das Risiko zu minimieren, aber unterschätzen darf man so ein Umfeld nie. Auch bei der Ernährung und im Umgang mit Trinkwasser gilt höchste Vorsicht. Wer die Hygieneregeln nicht beachtet, kann sich prompt böse Magen-Darm-Probleme einfangen. Das Klima wird keine große Rolle spielen, da alle Mannschaften athletisch sehr gut ausgebildet sind.

Wenn die deutsche Mannschaft Konstanz in ihr Spiel bekommt, wenn sie mit Marco Montag wieder einen treffsicheren Eckenschützen hat und sich als Turnierteam beweist, dann könnte es mit einer erfolgreichen Titelverteidigung klappen.