Viktoria Rebensburg fuhr als Sechste des ersten Laufs noch zum Olympiasieg. Trainer und Team waren begeistert.

Whistler. Als das Unglaubliche feststand, kam Viktoria Rebensburgs Handschuh zum Einsatz. Immer wieder schlug sich die kleine Skirennläuferin aus Kreuth mit der gepolsterten Pranke an den Kopf, tippte sich an die schwarze Wollmütze, konnte es kaum glauben, was die Anzeigetafel dort im Zielbereich auswies: Platz 1: V. Rebensburg. Und plötzlich bist du mit 20 Jahren Olympiasiegerin.

"Olympiasiegerin? Ich glaub, dieser Name gehört gar nicht zu mir", staunte Rebensburg. Nicht Kombinations-Gewinnerin Maria Riesch (10.), auch nicht Riesenslalom-Weltmeisterin Kathrin Hölzl (6.) ließen die deutsche Fraktion in Whistler Creekside in Jubelstürme ausbrechen, sondern die zweimalige Junioren-Weltmeisterin von 2009. Von Rang sechs aus als bestplatzierte Deutsche nach dem ersten Durchgang gestartet, attackierte Rebensburg von Beginn an und legte eine Zeit vor, an der sich ihre Konkurrentinnen sukzessive die Zähne ausbissen. "Vollgas" sei ihre Devise gewesen, feixte sie hinterher: "Sonst gewinnt man nix. Ich habe das Risiko genommen, und mir sind ein paar Fehler unterlaufen. Aber die haben mich sogar schneller gemacht."

Rebensburg wandelte gestern auf den Spuren der geschlagenen Hölzl. Auch die hatte vor ihrem WM-Triumph vor genau einem Jahr nie ein Weltcuprennen gewonnen und war in Val d'Isère als Außenseiterin mit Rückstand in den zweiten Lauf gestartet. Für die breite Öffentlichkeit mag Rebensburgs Triumphfahrt nun eine Überraschung sein, für Fachleute wie für die ehrgeizige Bayerin war sie es nur bedingt, auch wenn Gold einer Sensation gleichkommt. "Ich hatte schon einen Blick auf die Medaillen", gestand die Siegerin hinterher ein.

Seit sie diese Saison auch im Weltcup durchgestartet ist, scheint endgültig klar: Der gerade dem Juniorenalter Entwachsenen gehört die Zukunft. Mehr als ein halbes Dutzend Mal landete die als "Schwung-Wunder" bekannte Athletin in Weltcuprennen sogar schon vor Maria Riesch, zuletzt am letzten Januar-Wochenende in Cortina d'Ampezzo, als sie ihre bislang beste Weltcupplatzierung herausfuhr: Rang zwei im Riesenslalom. An Selbstbewusstsein mangelt es der kecken Juniorin nicht. Gepaart mit Talent, Technik und ganz viel Ehrgeiz, dürfte sie dem DSV und seiner starken Frauenriege auch in den kommenden Jahren viel Spaß bereiten.

Nervenstark steckte die junge Deutsche auch die lästige Rennverschiebung weg. Am Mittwoch hatten Regen und Whistlers berüchtigter, "Mid Mountain Fog" genannter Nebel eine Verschiebung des zweiten Riesenslalomlaufs notwendig gemacht, sodass zum ersten Mal seit 1980 bei den Spielen in Lake Placid das olympische Rennen an zwei Tagen ausgefahren wurde. Rebensburg sagte: "Es war schwierig, die Spannung aufrechtzuerhalten. Am Ende war es gut - ich habe gewonnen. Was will ich mehr?"

Die Kreutherin steht nun in einer Reihe mit deutschen alpinen Olympionikinnen wie Hilde Gerg, Martina Ertl und Katja Seizinger. Es macht sie stolz. "Seizinger war mein Idol, sie war so unglaublich gut, hat so viele Goldmedaillen gewonnen", schwärmte Rebensburg gestern. "Ich habe nie gedacht, dass ich mal in einer Linie mit ihr stehen würde und auch eine Goldmedaille gewinne."

Nun hat sie sie - und hoffentlich auf die ungleich erfahrenere Maria Riesch gehört. Diese riet ihrer fünf Jahre jüngeren Teamkollegin gestern: "Sie sollte diesen Moment genießen, denn alles vergeht so schnell wie im Film. Heute Abend wird sie mit dem Kopf schütteln und sich fragen, was passiert ist."

In Kanada saugt Rebensburg das Gefühl, bei Olympia sein zu dürfen, förmlich auf. "Es ist schon mehr wie cool", postete sie auf ihrer Homepage. Jetzt ist es noch ein Stück weit cooler, mit Gold um den Hals.