Die Konkurrenz ist ratlos. Bei Olympia macht der “Schumacher des Bobsports“ die Gesetze.

Whistler. Thomas Florschütz stand vor einem Rätsel. Da hatte der 32-jährige Pilot im Zweierbob gerade das Duell um Gold gegen den vier Jahre älteren André Lange verloren - doch warum, wusste er nicht. "Eigentlich haben wir alles richtig gemacht", grübelte Florschütz. "Schwer zu sagen, warum André zwei Zehntelsekunden schneller war. Wenn ich's wüsste, hätte ich Gold geholt."

So ist das oft mit dem Thüringer André Lange. Er siegt, und die Konkurrenz bleibt ratlos, zuweilen gar mutlos zurück. Schließlich hatten Florschütz und sein Bremser Richard Adjei im Whistler Sliding Centre den drittplatzierten Russen Alexander Subkow souverän auf Distanz gehalten. Bei Olympischen Spielen macht eben Lange die Gesetze. Der Olympiasieg war sein vierter in Folge nach 2002 (Vierer) und 2006 (Zweier und Vierer), stets kauerte als Bremser Kevin Kuske (31) hinter ihm. "Es hat sich sehr gut angefühlt da hinten", feixte Kuske nach vier ebenso rasanten wie abgeklärten Fahrten seines Piloten durch den ultraschnellen Eiskanal in Whistler. Am Sonnabend können Lange und er das fünfte gemeinsame Gold holen. Auch mit dem Viererbob sind sie klarer Favorit.

Werten im Sinne einer Rangfolge mochte Lange seine vier Olympiasiege nicht. Er sagte nur so viel: "Dieser war der schwierigste, weil die Erwartungshaltung der ganzen Welt so hoch war. Und Erwartungen zu erfüllen ist nicht immer ganz einfach." Selbst für einen wie ihn, der in diesen Tagen stets so wirkte, als ruhe er buddhaesk in sich selber. "Es war definitiv mein letzter Zweier-Lauf. Jetzt kommt noch der Vierer, dann ist es vorbei", sagte André Lange, und unter rosigen Wangen umspielte ein feines Lächeln seine Lippen.

Während der Olympiasieger von exzessiver Feierei vorerst absah ("Am Dienstag geht es im Training mit dem Vierer weiter"), huldigten dem erfolgreichsten deutschen Bobpiloten schon jetzt Weggefährten wie Ivo Rüegg. "Es ist eine Ehre, mit André zusammen gefahren zu sein", sagte der Schweizer nicht ohne Pathos. Und Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), sah sich bestätigt: "André Lange hat zu Recht unsere Fahne getragen. Er ist ein echtes Vorbild und eines der Gesichter dieser Spiele."

Inwieweit Lange dem deutschen Bob- und Schlittenverband (BSD) erhalten bleiben wird, steht noch nicht fest. Er habe aber signalisiert, wusste Bundestrainer Carsten Embach, "dass er mit uns weiterarbeiten will". Embach (41) saß selbst 2002 als Anschieber im Viererbob-Goldschlitten des Ausnahmepiloten.

Lange - Spitzname "Bärchen" - ist so etwas wie der Mustermann in einem Musterverband. Neun Medaillen steuerte die Kufenfraktion des DOSB bislang bei, darunter drei goldene. Und die Entscheidungen im Frauen-Zweierbob (morgen) und im Männer-Vierer (Sonnabend) folgen ja erst noch. "Dieser Verband", schwärmt DOSB-General Vesper, "arbeitet mit einer beispielhaften Konsequenz auf Olympia hin."

André Langes Wirken ist Beleg genug für diese These. Die Akribie des Berufssoldaten aus Suhl erinnert an andere große Sportler: "André ist für mich der Michael Schumacher des Bobsports", sagt etwa BSD-Vizepräsident Rainer Jacobus: "Es gibt keinen, der so gut ist, der eine Bahn so lesen kann wie er."

Dabei hielt das vergangene Jahr ziemlich viele lausige Phasen bereit mit schwachen Ergebnissen, Verletzungen und dem Hickhack um den Bob des BSD-Hauslieferanten FES (Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten). Erst nach Langes Kritik besserte das FES unter Mithilfe von Bob-Idol Christoph Langen nach: In Whistler spielte Lange schon im Zweier den Vorteil neuer Kufen aus Berlin aus.

Im Viererbob muss Lange seinen Anschieber René Hoppe wegen einer Wadenblessur durch Alexander Rödiger ersetzen, der vorher für den dritten deutschen Piloten Karl Angerer fuhr. "Es wäre zwar vermessen zu sagen, dass André im Vierer nicht zu den Mitfavoriten zählen würde", sagt Christoph Langen. Ein Selbstläufer jedoch werde die Konkurrenz im Großschlitten nicht werden. Dafür ist die Umstellung auf den schnelleren, deutlich schwereren Bob zu knifflig. Langen: "Die 630 Kilo verzeihen keinen Fehler. Und es gibt ausgesprochene Vierer-Spezialisten im Feld." André Lange soll es recht sein - er liebt Herausforderungen.