Neumünster. Wenn's wie bei Thomas Gottschalks "Wetten dass...?" mal wieder länger dauert, verschieben sich die nachfolgenden Sendungen nach hinten oder werden aus dem Programm gekippt. Doch was tun, wenn einer Livesendung plötzlich der Inhalt ausgeht? Dann ist Improvisation gefragt, so wie gestern beim NDR. Bis 15.15 Uhr sollten Moderatorin Sandra Maahn und ihr Team vom 60. Internationalen Reitturnier in Neumünster berichten. Das Problem: Von 40 Paaren schaffte im Großen Preis der Springreiter nur der Mecklenburger Holger Wulschner mit seinem Holsteiner Hengst Cefalo einen Nullfehlerritt. Das eingeplante Stechen fiel damit flach, das Traditionsturnier hatte 25 Minuten zu früh seinen Sieger.

"Ich kann mich nicht erinnern, so etwas schon erlebt zu haben", sagte Veranstalter Paul Schockemöhle. Selbst die Stars der Szene wie Ludger Beerbaum, Marcus Ehning oder der Niederländer Albert Zoer waren nicht ohne Abwurf durch den Parcours gekommen, dessen Schwierigkeitsgrad nach Meinung des 64-jährigen Schockemöhle nicht die Ursache für das Fehlerfestival in der Holstenhalle war. Trotzdem war ein Mann im Anschluss an das Springen ein begehrter Gesprächspartner: Frank Rothenberger. Der Parcourschef, der auch beim Derby in Hamburg der Herr der Hindernisse ist, musste Rede und Antwort stehen. "Man musste sehr präzise reiten", sagte Rothenberger. "Ein Stechen wäre schon schön gewesen, aber für mich ist es auch so in Ordnung."

Zufrieden war selbstverständlich auch Sieger Wulschner, der sein Pferd schon auf ein Stechen vorbereitet hatte, dann aber mitbekam, wie ein Konkurrent nach dem anderen patzte. Am gefährlichsten wurde ihm der Niederländer Mathijs van Asten, bei dem ebenfalls alle Stangen liegen blieben, am Ende aber ein Strafpunkt wegen 34 Hundertstel Zeitüberschreitung auf der Anzeigetafel aufleuchtete. Der Wedeler Carsten-Otto Nagel leistete sich gleich 13 Fehlerpunkte, Janne Friederike Meyer aus Schenefeld hatte es durch eine verpatzte Qualifikation am Sonnabend gar nicht erst ins Finale geschafft.

Holger Wulschner offenbarte derweil neben der Reiterei noch andere Talente. Der Vater zweier Söhne hatte sich im Sattel sitzend einen Knopf vom Jackett abgerissen, nähte ihn kurzerhand aber selbst wieder an. "In Nadelarbeit hatte ich in der Schule eine Eins", scherzte Wulschner - und konnte angemessen gekleidet zur Siegerehrung erscheinen. Diese war dann auch in aller Ausführlichkeit im Fernsehen zu sehen, dazu gab's beim NDR Interviews und einen Blick in die Historie, um die Sendezeit zu füllen.

Zudem wurde der Siegerritt von Edward Gal (Niederlande) und Totilas gezeigt, die am Vormittag die Kür der Dressurreiter gewonnen hatten. Die fünffache Olympiasiegerin Isabell Werth wurde mit Warum Nicht Dritte und sammelte damit wertvolle Punkte für die Qualifikation zum Weltcupfinale in s'Hertogenbosch. Kritische Töne vonseiten der Fernsehleute habe es wegen der Zeitprobleme übrigens nicht gegeben, sagte Schockemöhle, der dennoch sicherstellen dürfte, dass das Springen beim nächsten Mal wieder länger dauert - wetten dass ...?