Kunststücke in urbaner Architektur: “Streetstyle“-Skater erobern sich gern das funktionale Stadtbild. Am Wochenende trafen sich die besten von ihnen.

Hamburg. Die Sportart "Inlineskating" lässt sich sehr breit auslegen: Während die einen gemütlich am Alster-Ufer entlangrollen, suchen ambitioniertere Fahrer die gesamte Stadt nach Schrägen, Kanten und Vorsprüngen ab. Das Ziel: Hindernisse aus Beton und Stahl, die man im urbanen Raum ja reichlich vorfindet, zu möglichst kreativen Kunststücken nutzen. Das können Sprünge, Drehungen oder gern auch beides gleichzeitig sein. Je risikoreicher, desto besser. Und standesgemäß verfügen die speziellen "Stunt-Skates" über keinerlei Bremsen, man würde damit nur in den Beton-Rampen hängen bleiben.

Dieses Klientel fand sich am Sonnabend in der Hamburger Skatehalle an der Spaldingstraße ein, um seinen neuen Deutschen Meister zu bestimmen. Bester Hamburger Fahrer bei den Profis war Mark Stamer (26), der bei den Profis auf den zweiten Rang fuhr. Der Student der Medizintechnik musste sich nur dem erfahrenen Dominik Wagner (26) geschlagen geben. Der Berliner trat schon bei den hoch angesehen X-Games in den USA an und ist mehrfacher Europameister.

Der amtierende Europameister Sidney Hansen aus Hamburg verpasste den Einzug ins Finale der Profis nur knapp. In seinem einminütigen "Run", bei dem jeder Skater die Rampen der Halle in nicht vorgegebener Weise nutzen kann, unterliefen dem 23-Jährigen Favoriten auf den Meistertiltel gleich mehrere Fehler. "Sidney fehlt noch Wettkampf-Erfahrung. Die internationale Konkurrenz war bei diesem Kontest sogar stärker als als noch bei der Europameisterschaft in Hannover", sagte der Pressebetreuer der Hamburger Skatehalle Jonn Rübcke. Ein großer Inlineskates-Hersteller hatte sein gesamtes Team mit Profis aus Frankreich, Holland Belgien, Tschechien und Polen aufgeboten und sogar Avichai Wechsler aus Israel einfliegen lassen. So blieb Europameister Hansen nur "der Favorit auf dem Papier".

"Sidney ist schon im Vorlauf volles Risiko gegangen, obwohl es auch ein paar leichtere Tricks getan hätten, um sich die Punkte für die nächste Runde zu sichern", wies Rübcke auf Hansens fehlende Routine hin. Eine Jury vergibt an jeden Skater Punkte für Schwierigkeit der Tricks, eigenen Stil, Kreativität und Ausnutzung der Rampen, die den Straßen einer Großstadt nachempfunden sind. Sie zieht aber für misslungene Tricks Punkte ab. Über welch großes Potenzial der junge Skater verfügt, zeigte er den 500 Zuschauern schon bevor es ernst wurde. Hansen gelang beim Einfahren ein 1260-Grad-Sprung, eine dreieinhalb-fache Drehung in der Luft. Ein Trick, der nur von wenigen Weltklasse-Fahrern beherrscht wird.

Für einen Lichtblick bei den Amateuren sorgte der erst 15-jährige Melvin Simianowski aus Altona, der die Jury mit flüssigem und schnellem Fahrstil überzeugte. Zum Abschluss seines Laufes gelang ihm ein 540-Grad-Sprung von einer 3 Meter hohen Rampe, den er fehlerfrei landen konnte. "Der wird in Zukunft noch von sich Reden machen", prophezeite Rübcke, der selbst jahrelang auf Inlineskates stand.

Doch vom "Streetstyle" allein wird wohl auch der junge Hamburger nicht leben können. Mitte der 90er erlebte das "aggressive" Skating, wie es in der Szene genannt wird, seinen Höhepunkt. "Jedes Kind wollte damals Inlineskaten", erinnert sich Rübcke, der in dieser Zeit selbst vom Skateboard auf die acht Rollen wechselte. Mittlerweile hat sich das Brett mit den vier Rollen seinen Status zurückerarbeitet. "Momentan werden nur noch kleine Summen in unseren Sport investiert", sagt Rübcke. Zumindest in Deutschland. Nur die zehn besten Skater der Welt können von ihrem Sport leben. Die meisten davon kommen aus Frankreich und England.