Vancouver. Als alle Mikrofone und Kameras abgestellt waren, gestand Uwe Krupp dann doch seine Erleichterung ein. "Stell dir vor", sagte der Eishockey-Bundestrainer beim Verlassen der Halle zu einem Bekannten, "wir wären heute abgeschossen worden. Die Diskussion über den angeblichen Niedergang des deutschen Eishockeys wäre doch sofort wieder in Gang gekommen." Weil das nicht der Fall war, und die Deutschen bei ihrem ersten Turnierauftritt in Vancouver Olympiasieger Schweden zwar 0:2 (0:0, 0:2, 0:0) unterlagen, aber dabei eines ihrer besten Länderspiele ablieferten, durfte sich Krupp hinterher nur Komplimente anhören. "Die Deutschen haben taktisch sehr diszipliniert gespielt. Das war ein verdammt schweres Spiel für uns, bei dem wir zu Anfang des zweiten Drittels auch ein bisschen Glück hatten", meinte der schwedische Coach Bengt-Åke Gustafsson.

Disziplin war das Wort, das beide Seiten bei ihrer Analyse am häufigsten benutzten. Das Erstaunen der Schweden, dass der Weltranglisten-13. fast alle Tugenden einer Spitzenmannschaft demonstriert hatte, kam in jedem Statement zum Ausdruck. "So stark hatten wir die Deutschen nicht erwartet", gab Henrik Sedin zu. Der stürmt bei den Vancouver Canucks und ist einer der Superstars der nordamerikanischen Eliteliga NHL, die als stärkste der Welt gilt. Und da in dieser Liga derzeit so viele Deutsche wie noch nie spielen, profitiert auch die Nationalmannschaft von der Klasse ihrer Gastarbeiter. Sechs NHL-Profis standen in Krupps Startaufstellung - ein Novum im deutschen Eishockey. "Nicht nur sie, alle haben einen hervorragenden Job gemacht und die zwei, drei Schritte schneller gespielt, die auf diesem Niveau notwendig sind", lobte der Bundestrainer. Auch John Tripp (Hamburg Freezers) konnte das höhere Tempo mitgehen. Er kam 13 Minuten zum Einsatz.

Nun ist der ehemalige NHL-Profi und Stanley-Cup-Gewinner Krupp niemand, der Niederlagen schönredet, doch wie sich seine Mannschaft beim bisher stärksten Eishockeyturnier aller Zeiten präsentierte, machte ihm Mut für die weiteren Gruppenspiele gegen Finnland (morgen) und Weißrussland (Sonntag, beide 6 Uhr): "Wir haben keine Tore geschossen, das war das Manko. Wir haben uns jedoch in den Zweikämpfen behauptet, waren schnell, haben robust dagegengehalten und sind gute Konter gefahren. Die Mannschaft hat sich an unseren Spielplan gehalten. Uns fehlte nur das Quäntchen Glück, dann wäre sogar ein Unentschieden oder ein Sieg möglich gewesen."

Als die Deutschen in den ersten Minuten des zweiten Drittels gleich mit zwei Spielern mehr auf dem Eis standen, traf bei dieser 5:3-Überzahl erst Jochen Hecht (Buffalo Sabres) mit einem Schlenzer die Latte und dann Christian Ehrhoff (Vancouver Canucks) den Innenpfosten des schwedischen Tores. "Wenn wir in dieser Phase das 0:1 kassiert hätten, ja, was dann?", rätselte Henrik Sedin, "dann hätten wir richtige Probleme bekommen."

Die Treffer fielen schließlich auf der anderen Seite. Verteidiger Mattias Öhlund erzielte in der 25. Minute bei 5:4-Überzahl mit einem Distanzschuss das 1:0 für den olympischen Titelverteidiger, und knapp zehn Minuten später nutzte Loui Eriksson einen der wenigen Fehler der deutschen Deckung zum 2:0. Dass beim schwedischen Führungstreffer Daniel Sedin Torhüter Thomas Greiss (San Jose Sharks) mit hartem Körpereinsatz die Sicht verdeckte, nahmen die Deutschen erstaunlich gelassen hin. "In Europa wäre der Treffer wahrscheinlich nicht gegeben worden", meinte Greiss, "aber wir sind nun mal nicht in Europa."

"Auf dieses Spiel müssen wir aufbauen", sagte zum Abschluss Jochen Hecht, bevor er in den Bus zum olympischen Dorf stieg, "wir haben gezeigt, dass wir mit einer der drei, vier besten Mannschaften der Welt mithalten können, auch wenn die Schweden im Gegensatz zu uns vielleicht nicht an ihrem Limit gespielt haben." Dass sich seine Mannschaft in diesem Turnier noch weiterentwickeln wird, davon ist allerdings Krupp überzeugt: "Es ist ein gutes Team, das leicht zu coachen ist. Wir haben jetzt den ersten Schritt gemacht, weitere werden folgen." Überhaupt, meint der Bundestrainer, sei das deutsche Eishockey auf einem guten Weg. "Abgesehen von der WM 2009 in Bern, bei der wir sportlich abgestiegen sind, ging es kontinuierlich voran. Bei Olympia müssen wir uns das Selbstvertrauen für die anstehende WM im eigenen Land holen. Und nach dem Spiel gegen die Schweden, da bin ich mir sicher, werden wir das auch schaffen."