Whistler. Hannah Teter gähnt, es ist dieses absichtliche Gähnen, bei dem die Hand ein paar Mal nacheinander den Mund bedeckt, um auszudrücken, wie gelangweilt man ist. Oder wie wenig einen interessiert, was andere sagen. Die anderen sind in diesem Fall das Internationale Olympische Komitee, und die Frage an Teter war, ob sie sich bewusst ist, dass es diese zumeist älteren Herren nicht so gern sehen, wenn Athleten während Olympischer Spiele über Politik reden.

Wäre sie Sommersportlerin, wer weiß, was passiert wäre vor zwei Jahren in Peking, als die Spiele in einer Diktatur zu Gast waren. "Wahrscheinlich hätten sie mich weggesperrt", sagt sie. Jedenfalls hätte sie nicht die Augen zugemacht, wie es damals die Funktionäre taten und auch die meisten Sportler, so viel ist klar. "Ich wäre nach China gegangen und hätte versucht, meine Stimme zu erheben."

Ihre Stimme: Da ist die Kritik am Morden in Darfur, das China indirekt unterstützt. Da sind Menschenrechte, Umweltschutz, Tierschutz, Frieden, sauberes Wasser für Kenia und Soforthilfe für Haiti. Und gefragt nach ihrer allerwichtigsten Botschaft antwortet sie: "Ich hoffte, die Menschen würden sich mehr als Weltbürger verstehen."

Hannah Teter ist also Wintersportlerin, sie fährt Snowboard in der Halfpipe, so gut, dass sie in der Nacht zu morgen (3 Uhr) einen Olympiasieg von 2006 verteidigt. Aber sie hat den Mut, die großen Fragen dieser Welt zu diskutieren, sie macht es mit trockenem Humor, und ihr Idealismus hat eine beeindruckende Kraft. Denn Teter, 23 Jahre alte US-Amerikanerin aus Vermont, redet nicht bloß davon, was alles getan werden müsste. Sie tut es. Seit Jahren spendet sie ihre kompletten Preisgelder für wohltätige Zwecke, ein paar hunderttausend Dollar sind allein so schon zusammengekommen. Insgesamt geht ihr Engagement in den Millionenbereich.

In der Halfpipe kommt Teter kein bisschen weniger schrill daher als ihre Kollegen. Genauso wie es ihr denselben Spaß macht, mit der Snowboard-Familie unterwegs zu sein. Aber daneben, sagt sie, "habe ich eine Seite, die tiefgründig denkt, die sich interessiert und überlegt, wie ich ein Vorbild sein kann." Von ihren Eltern wurde sie im heimischen Wohnzimmer zur Welt gebracht und mit Biokost aus dem eigenen Garten großgezogen. Den Ahornsirup nach Familienrezept hat sie zugunsten wohltätiger Zwecke produzieren lassen ("Hannah's Gold"). Sie ist ein bisschen Hippie, ein bisschen Heilige, aber eines auf keinen Fall: weltfremd.

Mit den Gesetzen des Marktes zumindest kennt sie sich bestens aus. Pünktlich zu Olympia hat sie sich für die Bikini-Ausgabe von "Sports Illustrated" ablichten lassen, wofür sie von den Puritanern Amerikas an den Pranger gestellt wurde. Das Recht auf Nacktheit gehört damit jetzt auch zu ihrer Agenda, und weil sie weiß, dass alles besonders viel Aufsehen erregt, was ein bisschen anrüchig daher kommt, hat sie gleich auch noch eine Unterwäschekollektion kreiert. "Ich habe nach einem Projekt gesucht, und das ist doch etwas, das jeder braucht", sagt sie. Die Erlöse gehen an "Ärzte ohne Grenzen".

Nicht so erfolgreich ist sie allerdings bislang, was die Mobilisierung anderer Athleten angeht. Sie macht das nicht missionarisch, sie will ja auch nicht nerven, aber es würde ihr schon gefallen, wenn die Sportler insgesamt "wach und bewusst" wären. "Entweder wir bleiben in unserer Schachtel, dann geht die Welt irgendwann vor die Hunde, oder wir versuchen, Dinge zu verändern". Teter hat sich entschieden. Sollte sie heute wieder die Goldmedaille gewinnen, gehen die 25 000 Dollar Siegprämie vom Nationalen Olympischen Komitee nach Haiti.