Vancouver. "Wahnsinn!" und wahnsinnige Enttäuschung sind im Sport nahe Verwandte. Beim Eisschnelllaufen über 3000 Meter lag zwischen Triumph und Tränen diesmal eine Viertelsekunde, die ausgerechnet die Erfurter Klubkameradinnen Stephanie Beckert ("Das ist unfassbar") und Daniela Anschütz-Thoms ("Ich bin unfassbar traurig") in gefühlte Sieger und Besiegte teilte. Beckert, die 21-Jährige, hatte Silber gewonnen, Anschütz-Thoms, die 35-Jährige, Bronze verloren. Drei Hundertstelsekunden fehlten ihr als Vierte für den Sprung aufs Treppchen, den sie zu oft in ihrer Karriere bei internationalen Meisterschaften verpasst hatte.

Nicht vergessen wollen wir, zwei Glücklichere zu erwähnen. Die spindeldürre Tschechin Martina Sablikova, auch erst 22 Jahre alt, holte im mit 7600 Zuschauern ausverkauftem Olympic Oval von Richmond in neuer Bahnrekordzeit von 4:02,53 Minuten Gold, die Kanadierin Kristina Groves wurde die von ihren Landsleuten umjubelte Dritte. Platz 13 der Berlinerin Katrin Mattscherodt wiederum deckte sich fast mit deren doch eher bescheidenen Erwartungen.

Dass Beckert gleich bei ihrem ersten Olympiaauftritt das gelang, was Anschütz-Thoms auch bei ihrem dritten verwehrt blieb, die ersehnte Medaille über eine Einzelstrecke, mag ein Hinweis auf sich abzeichnende unterschiedliche Laufbahnen sein. Während die nicht minder begabte Anschütz-Thoms, 2006 in Turin immerhin Olympiasiegerin im Team-Wettbewerb, in den entscheidenden Momenten den ganz Großen meistens hinterherlief, könnte Beckert in die Kufen ihres großen Vorbildes Gunda Niemann-Stirnemann treten. Ein Poster der dreimaligen Olympiasiegerin, in Vancouver Eisschnelllauf-Expertin des ZDF, hängt zu Hause in ihrem Zimmer an der Wand, und wenn ihre Entwicklung weiter so rasant verläuft, dürfte sie selbst bald Modell stehen. Mit Klaus Kärcher, bei dem schon Anni Friesinger unter Vertrag steht, hat sie bereits den passenden Vermarkter. Er traf am Montagabend in Kanada ein.

Die Silbermedaille über 3000 Meter muss nicht das Ende von Beckerts erster olympischer Reise gewesen sein. Über 5000 Meter tritt sie am 24. Februar ebenfalls als Mitfavoritin an, und im abschließenden Team-Wettbewerb (27. Februar) sollte sie selbst eine Trauernde wie Daniela Anschütz-Thoms wieder zum Lachen bringen können.