Whistler. Wenn man so will, ist die Abfahrt der Männer bei Olympischen Spielen wie eine Tüte Haribo Colorado: Man weiß nie so genau, was alles drin ist, und ob man das bekommt, was man sich erhofft. Wer hätte vor vier Jahren in Turin schon auf Antoine Dénériaz als Sieger getippt, einen mit drei Weltcupsiegen dekorierten Franzosen? Oder 1998 in Nagano auf dessen Landsmann Jean-Luc Crétier, der in seiner Karriere überhaupt kein Weltcuprennen gewann?

Da war es fast ein bisschen enttäuschend, dass Dénériaz für das olympische Rennen gestern in Whistler Creekside sehr konventionelle Tipps abgab: "Didier Cuche, Michael Walchhofer, Bode Miller." Am Ende wurde der 33 Jahre alte Ruheständler vom Namen seines Nachfolgers überrascht: Neuer Olympiasieger in der prestigeträchtigsten alpinen Disziplin ist Didier Defago.

32 Jahre hat der Schweizer schon auf dem Buckel, und auf der Dave-Murray-Piste wurde er seinem Ruf als Mann für große Rennen gerecht. Mit sieben Hundertstelsekunden Rückstand wurde Aksel Lund Svindal aus Norwegen Zweiter, Platz drei belegte der unverwüstliche Amerikaner Bode Miller (+0,09 Sekunden). "Das ist einer der schönsten Tage in meinem Leben", jubelte Defago. "Ich fühl' mich super."

Dass sich der Hobbyfischer aus Morgins den begehrtesten Titel in seinem Sport angelte, hatte er nicht zuletzt auch den Schwächen seiner höher gewetteten Teamkollegen zu verdanken. Der Weltcupführende in der Abfahrt, Didier Cuche, landete nur auf Rang sechs, Carlo Janka wurde gar Elfter.

Nach zwei Tagen voller Rennverschiebungen wegen miserablen Wetters hatten die kanadischen Fans auf einen Triumph eines Landsmanns gehofft, doch mehr als Rang fünf für Erik Guay sprang nicht heraus. So nahmen die Zuschauer regen Anteil an der famosen Darbietung Millers. Dessen nächste Chance wartet bereits heute in der Super-Kombination (Abfahrt 19 Uhr, Slalom 22.30 Uhr). Dem Allrounder, der noch vorigen Sommer mit dem Gedanken an ein Karriereende mangels Motivation schwanger ging, ist erneut eine Medaille zuzutrauen. Mit deren Vergabe wird der einzige deutsche Starter wieder nichts zu tun haben: Stephan Keppler belegte gestern im Feld der 64 Platz 24.