Acht Jahre nach seinem ersten Sieg schlug der Schweizer wieder zu. Dem Deutschen fehlten 5,5 Punkte.

Vancouver. Es gab mal ein Wort, das Simon Ammann charakterisierte. "Vollgeil", das hatte er in seiner kindlichen Euphorie gesagt, nachdem er 2002 in Salt Lake City sensationell zu olympischem Gold gesprungen war. Und weil dieses simple, für die betuliche Schweiz geradezu befreiend ordinäre Wort so gut zu diesem wundersamen Burschen passte, wurde es schließlich zum Image. Genauso wie die Harry-Potter-Vergleiche, die ihm noch am Salzsee eine Einladung zu David Letterman eintrugen, und wie später ein Wetten-dass-Flirt mit Shakira. Zu Hause gab es Vollgeil-Werbespots und "Vollgeil - die Simi-Hymne". Die Zeiten haben sich geändert. Ammann fiel in ein Loch, arbeitete sich langsam wieder heraus, reifte. 28 Jahre ist er jetzt alt, und dieses Wort schien ihm nicht mehr angemessen. Er hatte es lange nicht gesagt und wollte es eigentlich auch nie wieder.

Nach dem Einzelspringen von der Normalschanze in Whistler sagte Simon Ammann nun: "Vor acht Jahren war es vollgeil, jetzt wird es langsam extrem vollgeil."

Ein Olympiasieg löst Emotionen aus, gegen die jeder Vorsatz schnell verblasst, aber darum ging es gar nicht. Ammann zitierte sich ja bewusst. Seine Worte sollten zeigten, was ihm dieser Triumph bedeutete und mit welcher Obsession er ihn verfolgt hatte. Er ist jetzt dreifacher Einzel-Olympiasieger - wie in seinem Sport nur der Finne Matti Nykänen. "Ich habe all die Jahre versucht, in die Liga der außergewöhnlichen Skispringer zu kommen", sagte er. Im Olympic Park nun siegte Ammann mit dem Druck des Favoriten von der Spitze weg, er dominierte im Training, im ersten Durchgang und im zweiten. Mit Sprüngen von 105 und 108 Metern war er konkurrenzlos. Simon Ammann hat das Kind in sich nie ganz abgelegt. Gewonnen aber hat er diesmal wie ein Erwachsener.

Er hat das noch weiter ausgeführt in Whistler. Er hat es in die Sprache der Skispringer gekleidet, die manchmal ein bisschen esoterisch klingt. "Es ist unglaublich, nach acht Jahren diese konzentrierte Energie wieder auf die Schanze gebracht zu haben", sagte er. "Die Erfahrung von damals hat mich oft gehindert, solche Erinnerungen können auch ein Rucksack sein. Aber letztendlich haben sie mir vor diesen wichtigen Sprüngen die nötige Ruhe gegeben. Diese Momente, in dem die konzentrierte Energie zusammenkommt, haben so eine ungeheure Kraft, die man nur laufen lassen muss. Jetzt hier zu sein, ist das Größte. Ich würde es mit absolut nichts tauschen, was ich bis jetzt erlebt habe."

Das hätte Michael Uhrmann auch gern gesagt. Wie schon vor vier Jahren in Turin war der Bayer erneut knapp an einer Medaille vorbei gesprungen. "Vor vier Jahren war es schlimmer", machte sich der 31-Jährige nach seinem fünften Rang selbst Mut. "Ich bin sehr stolz darauf, dass ich die Besten kitzeln konnte." 2006 in Turin hatten ihm auf dem unbeliebtesten aller Plätze, dem vierten, nur 0,5 Punkte zu Bronze gefehlt. Dieses Mal lagen nach seinen Sätzen auf 103,5 und 102 Meter 5,5 Zähler dazwischen. "Ich bin gut gesprungen, aber für eine Medaille hätte ich eben sehr gut springen müssen."

Bundestrainer Werner Schuster würdigte Uhrmann: "Er war knapp dran. Das Leben ist nicht gerecht." Als Zweiter war der Mannschafts-Olympiasieger von 2002 ins Finale gegangen, in dem ihn der Pole Adam Malysz und der Österreicher Gregor Schlierenzauer doch noch abfingen. "Ich habe den Sprung vom Unterkörper her einen Tick zu weit nach vorne angesetzt und bin dadurch nicht so gut vom Tisch weggekommen", sagte Uhrmann, der aber auch ehrlich zugab: "Die oben stehen, waren den Tick besser. Da muss man sich nicht schämen, wenn man Fünfter wird."

Für Martin Schmitt reichte es nach einem starken zweiten Sprung (99,5 und 103,5 Meter) immerhin noch zum zehnten Platz. "Damit kann ich leben", sagte der 32-Jährige.

Pechvogel des Tages war Pascal Bodmer. Dem 19 Jahre alten Olympia-Neuling war vor seinem ersten Sprung der Zipper des Reißverschlusses abgerissen. Er musste den Absprungbalken verlassen und als letzter Springer noch einmal zurückkehren - mit Hilfe einer Sicherheitsnadel. Als 31. verpasste er den Finaldurchgang. "Ich mache 500 Sprünge im Jahr, und nie passiert so etwas", ärgerte sich Bodmer.