Sie gewann drei Goldmedaillen, er eine - die Biathletin und der Skispringer gehören zu den erfahrensten Sportlern im deutschen Team.

Whistler. Vor dem Abflug nach Kanada färbte sich die dreimalige Biathlon-Olympiasiegerin Kati Wilhelm (33) Goldsträhnchen ins Haar, um ihre Ambitionen für die Spiele in Vancouver sichtbar zu machen. Und Skispringer Martin Schmitt (32), 2002 bereits Goldmedaillengewinner mit der Mannschaft, schwang sich gleich nach der Ankunft in Whistler als Trainingsdritter zum Geheimfavoriten des ersten Wettbewerbs der Spiele am Sonnabend von der Normalschanze auf.

Abendblatt: Sie haben sich neulich von Kindern interviewen lassen, Frau Wilhelm. Wie war das denn?

Wilhelm: Unterhaltsam, Kinder fragen halt auch mal andere Sachen. Hast du schon mal jemanden erschossen, zum Beispiel.

Abendblatt: Und, haben Sie?

Wilhelm: Nee (lacht lauthals).

Abendblatt: Werden es Ihre letzten Spiele sein?

Wilhelm: Ja. Olympische Spiele definitiv, wie viele Saisons ich noch bestreite, weiß ich noch nicht. Aber gäbe es einen besseren Zeitpunkt, seine Karriere nach Olympia zu beenden, wenn möglich mit einer Medaille?

Schmitt: Meine letzte Saison wird es mit Sicherheit nicht werden. Aber Olympia? Könnte schon sein. Ich gehe nicht davon aus, dass ich in Sotschi noch dabei bin. Andererseits: Sag niemals nie.

Abendblatt: Ist deshalb Ihre Herangehensweise an Olympia eine andere?

Schmitt: Ein wenig, ja. Ich will versuchen, noch einmal alles zu mobilisieren und irgendwo ein paar versteckte Prozent herauszukitzeln.

Wilhelm: Bei mir ist das ähnlich. Martin und ich haben das alles ja schon ein paar Mal erlebt, daher genießen wir es.

Schmitt: Die Erinnerung daran bleibt. Als Sportler lebt man in dem Bewusstsein, dass es irgendwann vorbei ist. Ich weiß also: Die Zeit, die ich habe, will ich nutzen. Insofern könnte ich ruhigen Gewissens das Gewesene hinter mir lassen. Andere sind nie bei den Olympischen Spielen - ich war es schon dreimal. Traurig sein muss ich nicht.

Abendblatt: Sie haben beide in Ihren Sportarten einen großen Boom erlebt. Wenn Sie auf die Anfänge Ihrer Karrieren zurückblicken: Würden Sie alles gern noch einmal miterleben?

Wilhelm: Ich möchte nicht noch einmal jünger sein. Ich bin froh, dass ich die Entscheidungen so getroffen habe, wie ich sie getroffen habe. Sicherlich war das eine oder andere Mal Glück oder Gespür dabei für die Situation. Ich bin froh, wie alles gelaufen ist, dass ich ein Teil davon war. Den Boom habe ich ja nicht aktiv forciert, das war vor allem das Fernsehen, das meinen Sport sehr gut präsentiert.

Schmitt: Ich hatte auch eine schöne Zeit, es war bisher eine tolle Karriere - mit Höhen und Tiefen. Die gehören zusammen, das war mein Weg. Ich würde mit niemandem tauschen wollen, ich bin zufrieden. Die Erinnerungen an die schöne Phase bleiben. Und man hat ja auch noch was vor sich. Es hilft nichts, verpassten Chancen hinterherzutrauern. Man muss sich immer bewusst machen, dass man auch die Zukunft in der Hand hat, sie aktiv gestalten kann.

Abendblatt: Inwieweit hat die Wiedervereinigung Ihr sportliches Leben beeinflusst, Frau Wilhelm?

Wilhelm: Sie hat es erst so richtig möglich gemacht. Ich hatte mich vor der Wende entschieden, nicht an die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) zu gehen, und war auch ein bisschen ausgemustert, weil ich "Rücken hatte". Insofern hatte ich schon damit abgeschlossen. Erst nach der Wende wurde sich sehr bemüht um mich, ich kam später an ein Sportgymnasium. Dort war alles lockerer. Gut für mich, da ich damals heimwehanfällig war - was sich zum Glück gegeben hat mit der Zeit. Hätte es die Wende nicht gegeben, würde ich jetzt nicht so hier stehen.

Abendblatt: Warum wollten Sie nicht an die Sportschule?

Wilhelm: Es schien mir zu streng. Zimmerdurchgang, Aufräumen, feste Hausaufgabenzeit, vielleicht nur einmal im Monat nach Hause - das war nicht so das, was ich mag.

Abendblatt: Herr Schmitt, sind Sie manchmal neidisch gewesen auf die Biathleten mit ihrer Vielzahl von Wettkämpfen und Wettbewerben, in denen es Medaillen zu verteilen gibt?

Schmitt: Nein, gar nicht. Jeder gibt für seinen Sport 100 Prozent, und jeder muss sich seine Erfolge selber verdienen. Vor der Erfolgsstory der Biathleten in den vergangenen Jahren kann ich nur den Hut ziehen. Klar gibt's im Biathlon durch mehr Wettbewerbe mehr Chancen. Aber umgekehrt müsste sich ein Fußballer auch ärgern, weil nur alle vier Jahre WM ist.

Abendblatt: Was ist denn schwerer: Biathlon oder Skispringen?

Wilhelm: Natürlich ... oh, was sage ich denn jetzt? Ich stelle mir Skispringen krass vor. Wenn ich da oben sitzen und runterfahren sollte - nee, kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin froh, mich so entschieden zu haben.

Schmitt: Also, ich würde nicht tauschen wollen, ich hab's nicht so sehr mit dem Ausdauersport. Man muss einfach seinem Talent folgen und seiner Begabung.

Abendblatt: Bewundern Sie die Skispringer für Ihren Mut, Frau Wilhelm?

Wilhelm: Ja, schon. Für mich ist das nicht so ganz nachvollziehbar. Ich denke manchmal: Wenn ich Mutter wäre, würde ich wollen, dass mein Sohn sich von dort oben herunterstürzt? Es kann ja auch mal dumm ausgehen.

Abendblatt : Bei den deutschen Biathletinnen ist die Leistungsdichte enorm hoch. Gehen Sie innerhalb der Mannschaft in einem Olympiawinter anders miteinander um, weil Sie wissen, dass schon ein Patzer das Aus für weitere Einsätze bedeuten kann?

Wilhelm: Es wird nicht schwieriger als in den anderen Jahren. Es geht fair zu bei uns, und jeder weiß, dass er die Chance hat, wenn er sich durchsetzt. Anderswo ist man mit Rang acht der King - wir wollen Medaillen.

Abendblatt: Wie gefallen Ihnen Vancouver und Whistler?

Wilhelm: Es ist schon sehr schön hier - auch wenn es im vergangenen Jahr schwierig war, den Kanadiern Begeisterung für Biathlon nahezubringen. Aber wir müssen keine Angst haben, dass es keinen interessieren wird.