Sportart feiert Premiere in Vancouver mit guten Chancen für den Deutschen Simon Stickl.

Berlin. Simon Stickl hat etwas geschafft, was nur wenigen Skicrossfahrern gelingt. Er ist die ganze Saison von Verletzungen verschont geblieben und dabei sogar erfolgreich gewesen: Anfang Januar hat er in St. Johann/Österreich als erster Deutscher ein Weltcuprennen gewonnen; prompt rutschte sein Name auf die Liste der Geheimfavoriten für den Gewinn einer Olympiamedaille.

Das ist neben Simon Stickls Abfahrtskünsten aber vor allem der Tatsache geschuldet, dass Skicross unberechenbar ist wie kaum eine andere Disziplin der Olympischen Winterspiele. Vier Fahrer stürzen sich gleichzeitig mit bis zu Tempo 100 den Hang hinunter. Regeln gibt es praktisch keine, Körperkontakt lässt sich bei der Hatz durch den Parcours und die meterweiten Sprünge über Bodenwellen kaum vermeiden. Sollte keiner der vier Fahrer das Ziel erreichen, hat derjenige gewonnen, der dem Zielstrich am nächsten gekommen ist.

Bei den Winterspielen in Vancouver feiert Skicross seine Olympiapremiere. Nach dem publikumswirksamen Debüt von Snowboardcross bei den Spielen in Turin 2006 wurde auch die Variante auf Skiern kurz darauf olympisch.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) entschied sich für Spektakel und Rasanz - und gegen die Sicherheit der Athleten. "Verletzungen gehören bei uns dazu. Keiner geht im Sommer davon aus, dass er sturzfrei durch die Saison kommt", sagt Stickl. Allein bei seinem Weltcupsieg in St. Johann musste der Rettungshubschrauber viermal verletzte Sportler von der Piste bergen. Der US-Amerikaner Daron Rahlves, ehemaliger Weltmeister der Skirennfahrer und so etwas wie der Star der Disziplin, kugelte sich vor Kurzem bei einem Sturz die Hüfte aus. Er will aber in Kanada starten.

Bei der Premiere am Cypress Mountain in Vancouver gefährdet eine unberechenbare Piste die Gesundheit der Fahrer zusätzlich. Frühlingshafte neun Grad haben den aus den Bergen herangekarrten Schnee zu einem für die Fahrer kaum zu kontrollierbaren Untergrund werden lassen. Dennoch befand IOC-Präsident Jacques Rogge die Pisten für olympiatauglich. "Es gibt keinen Plan B, dieser ist nicht nötig", erteilte der Belgier gestern allen Spekulationen um einen Ortswechsel eine Absage.

Das Risiko fährt immer mit. Stickl zieht diesen Vergleich: "Die Alpinen fahren auf der Autobahn und wir auf der Rallyepiste. Beim Skicross geht es darum, schnell zu reagieren und sich den Verhältnissen anzupassen."

Stickl kann das einschätzen, er begann seine Karriere selbst als Solist auf der Piste. Er schaffte es sogar bis in den Nachwuchskader des Deutschen Skiverbandes (DSV), ehe er sich beim Fußballspielen das Schienbein brach. Erst wollte er ganz aufhören, dann aber ließ er sich zu einem Ausflug zum Skicross überreden - und blieb. "Eine Rückkehr zu den Alpinen kommt für mich nicht infrage", sagt Stickl, der das fünfköpfige Aufgebot der Deutschen in Vancouver anführt: "Das ist mir zu langweilig."