Drittbeste Zeit - der deutsche Altmeister mischte auf Anhieb an der Spitze mit. Und der Nacken hält: “Ich habe ihn gut eingeölt.“

Valencia. Wer Tribünen auch auf ihrer Rückseite zu füllen vermag, muss eine richtig große Nummer sein. Mehr als eine Stunde lang harrten gestern etwa 100 Fans auf dem Circuit Ricardo Tormo in Valencia hoch oben über den Trucks der Formel-1-Teams aus, ohne auf die ersten Testfahrten der Saison von Felipe Massa im Ferrari oder Rubens Barrichello im Williams in ihrem Rücken zu achten.

Um 15.19 Uhr dann zahlte sich die selbst für Rennstrecken unübliche Beobachterhaltung für eine knappe Minute aus: Zwischen dem Mercedes-"Safety Truck" und dem Toro-Rosso-Lkw öffnete sich die Tür des beigefarbenen Motorhomes, Modell Contessa, mit Bergheimer Kennzeichen. Und im schneeweißen Overall, das Basecap tief ins Gesicht gezogen, ließ der neue Methusalem der Formel 1 seine ganze Erfahrung aufblitzen. Michael Schumacher sprang aus dem Wohnmobil, das er sich von seinem Bruder Ralf geliehen hat, stürmte mit kurzen Schritten um den orangefarbenen Schutzzaun, ließ sich eine Sekunde von kurzen Begrüßungsbussis für eine Blondine aufhalten, um alsbald durch die Meute der Kamerateams zum Garagentor 25 zu flitzen.

Einmal winkte er sogar den Fans auf der Rückseite der Tribüne kurz zu - ohne hinaufzublicken. Exakt zehn Minuten später rollte er auf der anderen Seite im mattsilbernen Mercedes-Boliden auf den Testkurs. Nachdem am Vormittag sein Teamkollege Nico Rosberg 39 Runden auf dem rund vier Kilometer langen Kurs herumgerast war, ging Michael Schumacher nach drei Jahren Renn-Vorruhestand sein Comeback im Cockpit an - und sauste zurück in die Zukunft. In Runde 18 unterbot er erstmals Rosbergs Bestzeit. "Nico", entschuldigte er ihn fürsorglich, "hat heute früh im Prinzip nur Fahrten gemacht, um das Auto zu checken." Und als er um 17 Uhr trotz des vorgeschriebenen Testendes immer weiter im neuen MGP W01 kurvte, schien es, als wolle Schumacher nicht aussteigen, bevor er nicht die Tagesbestzeit geschafft hatte.

Am Ende des Tages hatten nur der Brasilianer Felipe Massa im Ferrari und der Spanier Pedro de la Rosa im Sauber schnellere Runden vorzuweisen. "Mit den Zeiten habe ich schon bestätigt, dass ich mit von der Partie bin", sagte Schumacher. "Ob ich dann das letzte bisschen noch habe wie früher - das wird noch abzuwarten sein. Dafür habe ich dann jede Menge mehr Erfahrung."

Die Aussagekraft der Zeiten ist freilich beschränkt. Niemand weiß, wer mit wie viel Sprit in den riesigen Tanks unterwegs war - was bis zu 160 Kilo Gewicht oder mehrere Sekunden pro Runde ausmachen kann.

"Es hätte nicht schöner sein können. Das war ein super Tag. Das Auto hat perfekt funktioniert, ohne größere Malaisen", schwärmte Schumacher mit einem Dauerlächeln. "Ich bin rausgefahren und hab gedacht: 'Hoppala, ist aber ganz schön flott.' Zweite Runde habe ich gedacht: 'Passt.' Und dann ging's."

Schon der erste Test an der spanischen Mittelmeerküste bestätigt die Hoffnungen der Formel-1-Bosse für das kommende Jahr: So extrem wie der in die Fahrerjahre gekommene Schumacher (41) das Durchschnittsalter der Königsklasse empor katapultiert, gelingt ihm das mit Publikumsinteresse und Popularität. 500 Journalisten aus aller Welt sind zum Testevent angereist, mehrere Tausend Fans saßen bei 14 Grad auf den Betontribünen in der Sonne.

In Jeans und anthrazitfarbener Teamjacke führte Schumacher größtmögliche Lässigkeit vor, als sei er für alle Herausforderungen gewappnet. Sein Umfeld staunt, wie er wieder vor Energie strotze und über seine reanimierten Fitnesswerte, die er mit fachkundiger Betreuung durch die Sportklinik Bad Nauheim wieder auf Vordermann gebracht hat. Sogar der Nacken, der nach einer gefährlichen Havarie auf dem Motorrad sein Comeback im vorigen Sommer noch verhindert hatte, scheint nun so genesen, dass Schumacher darüber Witze macht: "Den habe ich gut eingeölt. Das ganze Rostige ist entfernt."