Innsbruck. Die Risiken und Nebenwirkungen eines großen Handballturniers kann Christoph Theuerkauf in diesen Tagen am eigenen Leib besichtigen. Er ist übersät mit Pferdeküssen, Prellungen, kleinen Blessuren - eine Landkarte des Leidens. "Die Schritte werden von Spiel zu Spiel langsamer", sagt Theuerkauf. Aber er will sich nicht beklagen. Er hat sich diesen Job ausgesucht: Kreisläufer. Er wird dafür bezahlt und bewundert, dass er dahin geht, wo es laut Volksmund wehtut.

Hätte der Magdeburger nach sieben Tagen und vier Spielen bei der EM keine Schmerzen, dann hätte er vermutlich etwas falsch gemacht. Aber das hat er nicht, im Gegenteil: Er hat sich ins Herz der Nationalmannschaft gespielt, was "ein überwältigendes Gefühl" sei. Und er findet, dass er seine Aufgabe insgesamt ziemlich gut erledigt hat: "Ich habe gezeigt, dass ich auf Dauer Leistung bringen kann."

Fragt man Heiner Brand nach Christoph Theuerkauf, fällt das Urteil verhaltener aus: "Er hat sein Potenzial angedeutet." Es ist so ziemlich das größte Lob, das der Bundestrainer einem Feldspieler bei dieser EM aussprechen kann. Nur ein Spiel, in der Vorrunde gegen Schweden, hat der Weltmeister von 2007 bisher gewinnen können, dazu einen Punkt gegen Slowenien. Nach dem 22:24 gegen Weltmeister und Olympiasieger Frankreich am Sonntag, der zweiten Niederlage im Turnier, steht fest, dass er das Halbfinale nicht mehr erreichen kann, egal wie das heutige Hauptrundenspiel gegen Spanien (18.15 Uhr/ARD) ausgeht. "Aber das Halbfinale", stellt Brand klar, "war für mich ohnehin nie ein Thema."

Der Bundestrainer wusste, dass seine Mannschaft eine der begrenzten Möglichkeiten ist. Gemessen daran hat sie vermutlich das Beste daraus gemacht. "Wir haben gegen den Weltmeister und gegen den WM-Dritten Polen ganz gut mitgehalten", sagt Brand, "aber letztlich hat sich die Erfahrung durchgesetzt." Für seine Mannschaft, eine der jüngsten des Turniers, kam die Gegenwart zu früh.

Die Zukunft sind Spieler wie Theuerkauf (25) und der Göppinger Manuel Späth (24), die sich in Österreich die Position des Kreisläufers teilen. "Die beiden sind als Kombination schon sehr wertvoll", findet Stefan Kretzschmar. Das frühere Handballidol, bei der EM als Experte fürs DSF im Einsatz, war in Magdeburg einst Theuerkaufs Mitspieler und Vorbild. Heute ist er sein Berater und sagt: "Offensiv ist Christoph der beste Kreisläufer Deutschlands." Trotzdem hat Theuerkauf lange auf diese Chance warten müssen. Sie wurde möglich, weil der Lemgoer Sebastian Preiß ausfiel und er sich die Aufgabe mit Oliver Roggisch, einem reinen Abwehrspezialisten, teilen kann. Zur neuen Saison wechselt Theuerkauf nach Lemgo.

Als Theuerkauf schon ein gestandener Profi war, machte Späth erst seine ersten Versuche am Kreis. Vorher spielte er im Rückraum, davor im Tor. Er hat nie in einer deutschen Nachwuchsauswahl gespielt. Er sagt: "Ich habe gutes Potenzial, da kann noch viel kommen." Kretzschmar bescheinigt ihm eine "Riesenentwicklung".

Sie war in Österreich nur ansatzweise zu sehen, weil der Kreis bisweilen ein verlorener Posten war. Gegen Frankreich gab es nur drei Anspiele, von denen zwei zum Torerfolg führten. In einigen Spielen hätte Brand auf die Besetzung gänzlich verzichten können, weil seine Rückraumleute ohnehin kein Auge für den Nebenmann hatten. "Wenn keine Bälle kommen, können wir wenig machen", sagt Späth. Auch das ist eine Schwäche dieser Mannschaft: Sie verwechselt Verantwortung bisweilen mit der Verpflichtung zu werfen.

"Aus diesen Fehlern müssen wir Lehren ziehen", fordert Theuerkauf. Spätestens bei der WM 2011 in Schweden solle der Lernprozess sichtbar werden: "Dieses Turnier ist für mich hoffentlich erst der Anfang von etwas ganz Großem." An mangelndem Selbstbewusstsein wird die neue deutsche Handballgeneration jedenfalls nicht scheitern.