Na bitte, es geht doch! Gegen die Schweden hatte unser Angriffsspiel das erste Mal in diesem Turnier Struktur. Da wurde nicht mehr wild aus dem Rückraum drauflosgeballert, sondern mit Bedacht und Übersicht die Chance zum Wurf gesucht. Nicht immer, aber wesentlich öfter als in den vorigen beiden Begegnungen. Wir haben die Schweden sogar gezwungen, ihr angestammtes 6:0-Deckungssystem (alle Mann am Kreis) aufzugeben und offensiver zu verteidigen. Das muss eine Mannschaft erst einmal schaffen.

Sorgen bereitet mir wieder unsere Abwehr. Nach der guten Leistung gegen Polen mangelte es erneut an Stabilität. Die Absprachen untereinander klappten nicht, Abwehrchef Oliver Roggisch musste viel quer laufen. Kampfgeist, Improvisationskunst und ein überragender Silvio Heinevetter im Tor sorgten schließlich in der zweiten Hälfte dafür, dass diese Defizite weitgehend kompensiert wurden.

Problematischer bleibt, dass wir kein Gegenstoßspiel haben. Klappt der individuelle direkte Gegenstoß nach Ballverlusten des Gegners (1. Welle) noch, sieht es bei der zweiten Welle, wenn die Mannschaft zum Beispiel nach einem Gegentreffer ihren ersten Angriffsversuch unternimmt, schlechter aus. Bei der zweiten Welle muss aus dem aufgenommenen Tempo die Wurfaktion folgen. Bei uns habe ich jedoch den Eindruck, je näher unsere Spieler dem Kreis kommen, desto langsamer werden sie. Das ist auch eine Sache des Selbstvertrauens, das diesem Team noch fehlt. Die Folge: Wir müssen uns unsere Tore zu oft hart erarbeiten. Das geht in einem kräftezehrenden Turnier auf Dauer nicht gut.

Gegen Spanien und Frankreich sind wir in der Hauptrunde natürlich Außenseiter, aber nicht chancenlos. Vielleicht werden wir jetzt ja unterschätzt. Unsere Mannschaft, das macht mir Hoffnung, steht nicht am Ende ihrer Entwicklung, eher am Anfang. Wie schnell sie lernt, entscheidet über den Erfolg in der nächsten Woche. Mit 1:3 Punkten ist unsere Ausgangsposition allerdings nicht die Beste. An das Erreichen des Halbfinales zu glauben wäre daher vermessen.

Der Alt-Internationale Christian Fitzek (48), Sportchef der HSV-Handballer, kommentiert die Spiele der EM.