Gylla Rau (30) und Frederike Warnholtz (28) vom Harvestehuder THC wurden für die EM nominiert, die morgen in Duisburg beginnt.

Hamburg. Peter Krueger ist kein Mensch, der Superlative inflationär einsetzt, wenn er über seine Mannschaft redet. Doch wer den Trainer der Bundesliga-Hockeydamen des Harvestehuder THC auf sein Abwehrduo anspricht, der erntet als Antwort eine Lobeshymne. „Sie sind beide auf ihre Art Ruhepole, haben vorbildlichen Siegeswillen. Von ihrer Erfahrung kann selbst ich noch jeden Tag lernen“, sagt er.

Gylla Rau (30) und Frederike Warnholtz (28) blicken sich, angesprochen auf das Lob ihres Trainers, zunächst einmal an, so wie sie es oft tun im Verlauf des Gesprächs, wie um zu testen, ob der andere auch so reagiert wie erwartet. Dabei bräuchte es diesen Blick gar nicht, denn die beiden Defensivspielerinnen verstehen sich, wenn es um sportliche Fragen geht, meist ohne Blicke oder Worte. Beide schätzen einander für die Fähigkeit, in jeder Situation alles geben zu können und immer 100 Prozent Siegeswillen zu verkörpern. „Wir lesen ein Hockeyspiel meist identisch und haben fast immer die gleiche Einschätzung über die Gegner“, sagen sie.

Ihre Stärke ist in dieser Saison auch an Zahlen abzulesen. Der im Viertelfinale ausgeschiedene HTHC kassierte in der Hauptrunde der Hallensaison nur 31 Gegentore – weniger mussten nur Düsseldorf (25) und der Uhlenhorster HC (30) hinnehmen. So war es fast eine logische Konsequenz, dass Hallen-Bundestrainer Marc Herbert das Duo im Doppelpack für die EM nominierte, die an diesem Freitag in Duisburg beginnt.

Dennoch war besonders Warnholtz über ihre Nominierung überrascht. Für sie ist es das erste große internationale Turnier, während Rau bereits vor zwei Jahren in Spanien im EM-Kader stand. 2006 hielt ein Bänderriss die Leiterin einer 5..Klasse der Schule Fraenkelstraße in Barmbek von ihrem EM-Debüt ab. Damals trug sie noch ihren Geburtsnamen Puls und spielte regelmäßig für den HTHC in der Bundesliga. 2008 gab sie den Leistungssport aufgrund der beruflichen Belastung jedoch auf und wechselte zurück zu ihrem Heimatverein Großflottbek, um bei den Zweiten Damen „zum Spaß Hockey zu spielen“.

Lediglich ein Versprechen an ihre HTHC-Klubkollegin Rike Sager, die sich im April 2008 das Kreuzband gerissen hatte und 16 Monate pausieren musste, brachte sie in diesem Winter in die höchste Spielklasse zurück. „Ich habe Rike Mut machen wollen, indem ich ihr versprochen habe, dass ich noch einmal mit ihr Halle spiele, wenn sie fit wird“, sagt sie. Dass sie durch die Rückkehr auch wieder mit ihrer Freundin Rau zusammengeführt wurde, die sie im B-Mädchen-Alter in Großflottbek kennengelernt hatte, war schlussendlich eine Fügung des Schicksals. „Für uns“, sagt Rau, die nach einem Diplom-Sportstudium mittlerweile als Physiotherapeutin am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Boberg mit Trauma-Patienten arbeitet, „schließt sich mit der Teilnahme an der EM ein Kreis.“

Tatsächlich könnte das nächste Wochenende für das eingespielte Doppel ein krönender Abschluss der Karriere werden. Mit dem Titelgewinn in Duisburg fiele der endgültige Abschied vom Weltklasse-Hockey beiden leichter. „Wir werden sicherlich nicht mehr viele Turniere spielen“, formuliert Rau das nahende Karriereende diplomatisch. Die beruflichen Belastungen fordern ihren Tribut, dreimal pro Woche Training plus die Wochenenden auf den Hockeyfeldern der gesamten Republik, das ist für beide nicht mehr zu leisten. „Wir haben auch noch ein Leben neben dem Sport“, sagen beide.

Umso mehr freuen sie sich auf die Tage in Duisburg, auf stimmungsvolle Spiele in einer vollen Halle, trotz des Drucks des Gewinnenmüssens, den jede deutsche Hallen-Auswahl hat. Am vergangenen Dienstag trafen sie sich erstmals mit dem neu formierten Team, drei Trainingseinheiten, drei Testspiele, dann muss alles fürs Auftaktspiel gegen die Ukraine (siehe Infokasten), auf deren Seite ihre HTHC-Kollegin Maryna Vynohradova aufläuft, bereit sein. „Das kriegen wir hin“, sind sich beide einig.

Es wird besonders ihre Erfahrung sein, auf die es ankommt, deshalb hat Herbert sie nominiert. Sie wissen das, und so ist ihr einziger Wunsch der, immer gemeinsam auf dem Feld zu stehen. Warnholtz links, Rau rechts hinten, in Raum- statt Manndeckung, so wie sie es auch beim HTHC praktizieren. Ohne viele Worte, ohne viele Blicke. Dafür mit viel Erfolg.

Info:

Titelverteidiger Deutschland muss sich bei der Hallenhockey-EM in Duisburg an diesem Wochenende in Vorrundengruppe A gegen drei kampfstarke Teams behaupten. Zum Auftakt wartet am Freitag (13.40 Uhr) die Ukraine, am Abend (18 Uhr) geht es gegen Schottland und am Sonnabend (11.55 Uhr) zum Abschluss gegen Litauen. Bundestrainer Marc Herbert ist von der neuen Linie des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), zu Hallen-Titelkämpfen nur noch junge Perspektivspieler einzuladen, zwangsweise abgewichen, da viele Talente zeitgleich am A-Feldkader-Lehrgang auf Gran Canaria teilnehmen. Deshalb stehen mit den Ex-Alster-Stürmerinnen Anneke Böhmert (derzeit Spanien) und Rebecca Landshut (Münchner SC) sowie den Verteidigerinnen Gylla Rau und Frederike Warnholtz (beide HTHC) vier Hamburger Routiniers im zwölfköpfigen Aufgebot. Zudem ist aus Hamburg noch Torhüterin Kim Platten (UHC) dabei.