Im Januar 2009 verunglückte der Skirennfahrer Daniel Albrecht in Kitzbühel schwer. Nun steht er vor seinem Comeback.

Kitzbühel. Erstmals nach seinem schrecklichen Unfall kehrt Daniel Albrecht an den Unglücksort zurück. Auch wenn dem Schweizer Skirennfahrer selbst Erinnerungen fehlen, bei seinen Trainern und Ski-Kollegen sind die Bilder vom 22. Januar 2009 immer noch präsent. Wie Albrecht am Zielsprung der ebenso berühmt wie berüchtigten Streif in Kitzbühel mit weit über 130 km/h abhob, in Rückenlage geriet, hilflos mit den Armen ruderte, nach 70 Metern mit Kopf und Rücken auf der knüppelharten Piste aufschlug, wie der linke Ski zerbrach – und wie der Kombinations-Weltmeister von 2007 regungslos im Zielraum liegen blieb. Drei Wochen verbrachte Albrecht nach dem Trainingsunfall wegen eines Schädel-Hirn-Traumas und einer Lungenquetschung im künstlichen Tiefschlaf. Als er aufwachte, konnte er sich nicht mehr erinnern.

Daniel Albrecht ist wieder in Kitzbühel dabei. Diesmal nur als Zuschauer. Aber schon mehrfach war auch vom Comeback des Schweizers, der seit dem Sturz noch ohne Renneinsatz ist, die Rede. Seine weiteren Pläne gibt Albrecht am Donnerstag bei einer Pressekonferenz bekannt. In seiner Heimat werden vor allem über zwei Varianten spekuliert: ein Start beim letzten Weltcup vor Olympia im slowenischen Kranjska Gora Ende Januar oder die Rückkehr in der neuen Saison. Beides würde angesichts der Krankengeschichte an ein Wunder grenzen.

Nach dem Aufwachen sei es für ihn wie in einem Haus gewesen, in dem alles durcheinandergeraten war, lautete ein Vergleich des viermaligen Weltcup-Gewinners. Er musste feststellen, wie es ist, wenn man nichts mehr weiß. Er suchte nach Worten, verwechselte Menschen. Das Fleisch auf dem Essenstisch nannte er „Audi“, seine Freundin hielt er für eine Physiotherapeutin und er fühlte sich wie ein Kind, dem man einen weißen Zettel gibt und das damit nichts anzufangen weiß. Schmecken, Riechen, Gefühle – all das war Albrecht nach drei Wochen im künstlichen Koma fremd. Er musste lernen, wer er war, wie alt und was er vorher gemacht hatte.

Gegen den Rat der Ärzte schaute er sich den Sturz „unzählige Male in Zeitlupe an“, verriet Albrecht. Empfindungen hatte er dabei keine. „Ich konnte keine emotionale Verbindung zu den Bildern herstellen. Es kam mir vor, als ob da eine Playmobil-Figur durch die Luft wirbelt“, sagte er in einem „Spiegel“-Interview. Ähnlich klang es in der „Neuen Zürcher Sonntagszeitung“: „Ich habe mir den Sturz oft auf Video angeschaut. Der sieht schon krass aus. Man denkt: Das tut sicher extrem weh. Aber das war ja ich, und ich weiß nichts, ich spüre nichts.“

Drei Monate nach dem Unglück wurde der 26-Jährige Ende April aus dem Krankenhaus entlassen. Und eine Woche später stand er sogar wieder auf Skiern. „Ich weiß noch, wie ich während der Fahrt in der Gondel meine Ski anguckte und mich fragte: Was ist das? Als ich oben ankam, war die Erinnerung wieder da“, schilderte Albrecht die Rückkehr auf die Bretter. Es klappte irgendwie. „Der Körper wusste zum Glück noch halbwegs, wie es geht.“

Immer besser ging es auf den Ski voran. Schnell strebte Albrecht, bei dem nach und nach mehr seine Fähigkeiten zurückkehrten, die Rückkehr in den Weltcup an. Er komme ganz oder gar nicht zurück, sagte Albrecht im vergangenen Jahr. Wenngleich er einräumte, bei seinen Comeback-Bemühungen auch von Zweifeln begleitet worden zu sein. Vielleicht wird ihm das Besichtigen des Schauplatzes aus dem Vorjahr neue Aufschlüsse bringen.