Schwerin. Das "Victory"-Zeichen, das Jürgen Brähmer beim Verlassen von Saal 3 des Schweriner Amtsgerichts demonstrativ in die Kameras zeigte, war als Symbol eines für ihn niederschmetternden Tages nicht wirklich angemessen. Der 31 Jahre alte Halbschwergewichts-Boxweltmeister aus dem Hamburger Universum-Stall wollte mit der Geste Stärke demonstrieren, nach dem Motto: "Mich kann nichts erschüttern!" Äußerlich gelassen hatte Brähmer, gekleidet in einen olivgrünen Cordanzug, den Ausführungen der Juristen zugehört, das Urteil hatte er regungslos hingenommen, die Begründung dann mit ungläubigem Lächeln und wegwerfenden Handbewegungen quittiert. "Ich habe das von Beginn an erwartet. Mehr darf ich leider nicht sagen", war der einzige Kommentar, den er sich entlocken ließ, ehe er das Gericht in Begleitung eines Bekannten verließ.

Ein Jahr und vier Monate ohne Bewährung wegen Körperverletzung und Beleidigung, das ist das Strafmaß, das Richter Rainer Schmachtel festlegte. Er sieht als erwiesen an, dass Brähmer am 13. September 2008 vor einer Schweriner Diskothek die Klägerin Doreen A. nach einem Wortgefecht mit einem Schlag unter die Nase erheblich verletzte. Einer Reihe von Zeugen, die die Klägerin belastet und zugunsten Brähmers ausgesagt hatten, schenkte Schmachtel keinen Glauben. Für diesen Angriff erhielt der Angeklagte eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten.

Einen zweiten Vorfall vom 31. Mai 2008, bei dem Brähmer den Kneipenwirt Amre Z. angegriffen haben soll, wertete Schmachtel als geringfügige Körperverletzung, die er mit einer Geldstrafe ahndete. In der Addition ergab sich somit das Strafmaß von 16 Monaten, das Schmachtel ohne Bewährung ansetzte, da beide Vorfälle in eine Zeit fielen, in der der wegen Körperverletzung und anderer Delikte bereits zweimal inhaftierte Brähmer, der zuletzt im September 2005 aus der Haft entlassen worden war, sich noch auf Bewährung befand.

Brähmers Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, der dem Richter erneut Befangenheit unterstellte, kündigte an, sein Mandant werde innerhalb einer Woche gegen das Urteil Berufung einlegen. Staatsanwalt Wulf Kollorz, der auf 18 Monate ohne Bewährung plädiert hatte, tat dies bereits gestern wegen eines juristischen Formfehlers des Richters. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig und wird in der nächsten Instanz vom Schweriner Landgericht überprüft. Bis dahin bleibt Brähmer, da kein Haftbefehl vorliegt, auf freiem Fuß und darf weiter seinem Beruf nachgehen.

Wie das aussehen wird, ist aber unklar. Trainer Michael Timm, derzeit im Urlaub in der Dominikanischen Republik, sagte: "Das Urteil ist eine Bombe. Ich kann das nicht glauben." Universum-Chef Klaus-Peter Kohl stellte sich demonstrativ hinter seinen Schützling, der bei Universum "lebenslang" unter Vertrag steht. "So lange das Urteil nicht rechtskräftig ist, halte ich Jürgen für unschuldig. Wir werden an ihm festhalten", sagte er. Universums TV-Partner ZDF, der Brähmer in den vergangenen Jahren als Hauptkämpfer aufgebaut hatte, sieht die Angelegenheit nicht so gelassen. "Wir werden intensiv mit der Geschäftsleitung diskutieren, wie wir mit Jürgen Brähmer in Zukunft verfahren", sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz, dessen Sender Kämpfe von Dopingsündern nicht live überträgt und bei juristischen Verfehlungen möglicherweise ähnliche Maßstäbe anlegen wird.

Für Universum war der gestrige Tag ein erneuter harter Rückschlag im Hinblick auf die unsichere Zukunft. Mit Mittelgewichts-Hoffnung Gennady Golovkin (Kasachstan) hatte nach Felix Sturm und Sergej Dzinziruk ein weiterer WM-Anwärter seinen Vertrag gekündigt. Gruschwitz bestätigte dem Abendblatt, dass der bis 31. Juli dieses Jahres laufende Vertrag mit Universum zu den derzeitigen Konditionen - geschätzte 20 Millionen Euro für zwölf Kampfabende pro Jahr - definitiv nicht verlängert werden wird. "Wir sind mit Universum weiterhin in Gesprächen, aber - Stand heute - wir werden nach dem 31. Juli nicht mehr zusammenarbeiten", sagte er.