Der Trainer desTTK Sachsenwald begleitet die Italiener zur Hallenhockey-EM - als krasser Außenseiter.

Hamburg. In der vergangenen Woche verlor die Hallenhockey-Nationalmannschaft Italiens ein Testspiel bei den Herren des Clubs an der Alster mit 5:13. Ein Himmelfahrtskommando sei es, sagte Alster-Coach Joachim Mahn danach, dieses Team zur Hallen-EM zu begleiten, die an diesem Freitag in Almere (Niederlande) beginnt. Doch der Mann, der dieses Himmelfahrtskommando leitet, fühlt sich wie in einem Traum. "Es ist der beste Nebenjob, den ich mir vorstellen kann", sagt Lutz Reiher (49).

Der Hamburger, der seit Sommer 2008 im Hauptberuf leitender Trainer beim TTK Sachsenwald in Reinbek ist, war lange Bundesligacoach beim Uhlenhorster HC. Von 1982 bis 1989 betreute er die Damen, von 2004 bis 2006 die Herren des Klubs. Zu oft jedoch fühlte sich der Diplom-Bauingenieur, der nach einem Burn-out seine Firma aufgab und sein Hobby Hockey zum Beruf machte, in der höchsten Spielklasse wie auf einem Schleudersitz. Nach seiner Demission im Sommer 2006 erfuhr er über seinen Nebenjob beim Sportartikelhersteller "Falanx" von italienischen Hockeyspielern, dass der Verband einen Honorartrainer für das Damenteam suchte.

"Mein Vorteil war, dass ich beim Vorstellungsgespräch meine Präsentation in der Landessprache halten konnte", erinnert sich der dreifache Vater. Nach einer Reihe von Urlauben in Italien planten Reiher und seine Ehefrau, ihren Lebensabend dereinst im Land des "Dolce Vita" zu verbringen und belegten Sprachkurse. Reiher bekam den Job, und im vergangenen Sommer übernahm er zusätzlich die Herren. Aus Zeitgründen ist er jedoch nur für die Hallenteams zuständig. Die Frauen, die auf dem Feld in der A-Gruppe spielen, haben einen hauptamtlichen Feldtrainer. Mit ihnen tritt Reiher am nächsten Wochenende zur Hallen-B-EM in Prag an. Die Herren, im Feld in die C-Gruppe abgestiegen, werden dort von Honorarcoach Roberto Da Gai trainiert, der Reiher in der Halle assistiert.

Bis zu vier Wochen im Jahr verbringt der Hummelsbüttler nun in Italien, mal bildet er Trainer weiter, mal beobachtet er Spieler. Mehr Zeit kann er ob seines Hauptberufs nicht investieren. Auch deshalb absolvierten die Herren ihre EM-Vorbereitung in Hamburg. Neben seiner Fachkompetenz kommt auch seine Art des Umgangs gut an. "Ich lasse meine Spieler mitbestimmen. Das kannten die gar nicht", sagt er. Kabinensprache ist italienisch, die Fachbegriffe lernte Reiher in einem Extrakurs. Die Hochachtung, die ein Trainer in Italien erfahre, gebe es in Deutschland nicht. "Hier bekommt der Trainer schnell die Hauptschuld, wenn es nicht läuft. In Italien bin ich der 'Mister' oder der 'Dottore', und was ich sage, wird befolgt."

Bei der EM sind die Italiener in Vorrundengruppe A mit Russland, Spanien und Dänemark krasser Außenseiter. "Meine Spieler haben Potenzial, aber wenn wir uns eins zu eins mit den anderen Nationen vergleichen, müssen wir ehrlich sagen, dass wir die Schwächsten sind", sagt Reiher. Insgeheim träumt das Team trotzdem von Platz sechs und der direkten Qualifikation für die WM 2011 in Posen (Polen).

Letztendlich stehe der sportliche Erfolg jedoch gar nicht im Vordergrund. Da Italiens Liga von ihrer Spielstärke her mit der deutschen Oberliga vergleichbar ist, dürfe man die Erwartungen nicht hochschrauben, sagt der frühere U-21-Nationalspieler. Bundesliganiveau habe kein Spieler. Über einen Internetaufruf fand Reiher den Schwabacher Daniel de Angelo, der kein Italienisch spricht, aber das Team verstärken kann. Versuche, die Bundesligaspieler Alexander Perdoni (UHC) und Alessio Ress (Alster) zu verpflichten, scheiterten. Reiher hofft, dass sich seine Spieler individuell verbessern. Vor allem aber "wollen wir alle Spaß haben". Dann, sagt er, sei das wichtigste Ziel erreicht.