Pascal Bodmer verhindert in Innsbruck die Totalpleite. Martin Schmitt erreicht nicht einmal das Finale. Der Deutsche Skiverband hat die Zukunft verschlafen.

Innsbruck. Den Bundestrainer plagte eine Vorahnung. "Vielleicht", dämmerte es Werner Schuster nach dem Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf, "haben wir den Tiefpunkt noch gar nicht erreicht." Tatsächlich folgte auf den schwächsten Tourneestart seit 24 Jahren nach dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen sogar die miserabelste Tournee-Halbzeitbilanz aller Zeiten - kein Bundesadler unter den besten zehn. Gestern schließlich bahnte sich nach der dritten Station in Innsbruck ein schreckliches Olympiajahr für die Springer an.

Martin Schmitt, im vorigen Februar noch Weltmeisterschaftszweiter, scheiterte in Innsbruck schon daran, sich für das Finale der besten 30 zu qualifizieren. "Die Gesamtwertung", sagte Schmitt mit Blick auf das letzte Springen in Bischofshofen am Mittwoch, "war schon nach Oberstdorf abgehakt." Knapp vor Schmitt, der Rang 34 belegte, teilten die Kollegen Michael Neumayer und Maximilian Mechler auf Rang 32 sein Schicksal. "Es war einfach wieder ein schwieriger Wettkampf, da muss alles optimal passen", klagte Schmitt, "um unter solchen Bedingungen zu bestehen, fehlt die Form, um Weltklasseleistungen zu bringen. Ich habe hier bei der Tournee absolut nicht meinen Rhythmus gefunden. Damit kann ich natürlich nicht zufrieden sein."

In Innsbruck siegte der Österreicher Gregor Schlierenzauer (130 und 122 Meter) erstmals auf seiner Heimschanze vor dem Schweizer Simon Ammann (128,5 und 117,5 Meter) und dem Finnen Janne Ahonen (128,0 und 117,5). In der Gesamtwertung führen weiterhin die Österreicher Andreas Kofler, Schlierenzauer und Wolfgang Loitzl.

Als bester Deutscher landete Pascal Bodmer auf Platz acht (122,5 und 118,5 Meter), Michael Uhrmann (121,0/115,5) folgte als Zwölfter, Richard Freitag (114,5/105,0) auf Rang 30.

Als der Österreicher Werner Schuster in der vorigen Saison die Verantwortung übernahm, durfte er sich noch für den frischen Wind loben lassen, den er den darbenden deutschen Flugkünstlern bescherte: Gleich vier Springer seines Teams unter den Top 15 der Vierschanzentournee, dazu das WM-Silber seines prominentesten Athleten Martin Schmitt gereichten auch dem jungen Cheftrainer zum Ruhm. Wie sehr sich die Stimmung inzwischen gewandelt hat und wie viel komplizierter die Arbeit geworden ist, musste Schuster am Neujahrstag erleben. Mit akribischer Exaktheit nahm die "Bild"-Zeitung Maß und schoss auf seinen B-Kader-Trainer Stefan Horngacher, weil der Stützpunkttrainer Martin Schmitts bis nach fünf Uhr in der Garmischer Dorfdisko alkoholbeseelt den Jahresanbruch gefeiert hatte, obwohl Stunden später das Skispringen anstand, das jährlich die höchsten Einschaltquoten verzeichnet.

"Es tut uns sehr weh, wenn wir als Mannschaft nicht das bieten können", gibt Schuster sich zuweilen gar demütig, "was so eine Nation mit solchen Ressourcen zu leisten imstande ist."

Doch nach und nach musste Schuster mit Schrecken beobachten, wie kläglich die Nation mit ihren Ressourcen in der Hochzeit des Skisprungs um Schmitt und Sven Hannawald die Zukunft verschlafen hat. Das Abhandenkommen eines wissenschaftlichen Gremiums etwa, das die im Skisprung sensible Schnittstelle zwischen geringem Körpergewicht und ausreichendem Muskelkraftaufbau zum Absprung hätte untersuchen und steuern können, war Schuster im Sommer aufgefallen. Parallel hatte er eine weitere wichtige Komponente für Weltklassespringer geordert: Schuster lotste Ernährungsberater zum Team.

Schuster muss trotz der schlechten Ergebnisse kaum um seinen Job bangen. Zu gut ist sein Ruf, zu strukturiert scheint sein Vorgehen, zu umfangreich ist sein Wissen aus der Arbeit mit Weltklasseleuten wie Schlierenzauer, zu kompetent und erfolgsorientiert wirkt sein Auftreten, als dass der Deutsche Skiverband schnell das Vertrauen verlieren könnte.

"Die Frage ist, ob wir Geduld, Zeit und Ausdauer haben", sagt Schuster. "Ich habe die Energie."