Torsten Jansen und Dominik Klein vor dem Spitzenspiel THW gegen HSV über den Unterschied der Teams, ihre Freundschaft und Rivalität.

Hamburg. Torsten Jansen und Dominik Klein erscheinen gemeinsam zum Interview. Der Kieler Klein hat Jansen zu Hause abgeholt. Er komme gern nach Hamburg, hatte Klein zuvor wissen lassen, so sehe er seinen Freund wenigstens einmal wieder. Am Sonntag (17.45 Uhr/DSF, Liveticker bei abendblatt.de) treffen sich die beiden Handballweltmeister von 2007 erneut: als Gegner im Bundesliga-Gipfel THW gegen HSV.

Abendblatt: Herr Jansen, ist der HSV reif für einen Sieg in Kiel?

Torsten Jansen : Ich glaube nicht, dass das eine Frage der Reife ist. Da spielen so viele Faktoren hinein: die Tagesform, die Schiedsrichter. Prinzipiell ist Kiel immer Favorit, zumal zu Hause.

Abendblatt: Aber der HSV kann mit mehr Selbstbewusstsein nach Kiel fahren als früher, richtig?

Jansen: Richtig ist, dass unser Spiel konsequenter geworden ist. Aber es ist noch nicht so konstant, wie wir es uns vorstellen. Um deutscher Meister zu werden, muss man konstant auf einem überragenden Level spielen. Kiel hat das in den vergangenen Jahren immer geschafft. Wir sind erst auf dem Weg dahin.

Abendblatt: Herr Klein, sind Sie beeindruckt vom HSV?

Dominik Klein: Eine Grundantwort auf diese Art Fragen ist: Wir schauen nicht auf die anderen. Das lernt man beim THW schnell.

Abendblatt: Herr Jansen, Sie hatten vor Jahren einmal ein gutes Angebot des THW vorliegen. Wie oft haben Sie den Tag verflucht, an dem Sie es abgelehnt haben?

Jansen: Ich habe es nie bereut. Der THW und der HSV, das sind zwei komplett verschiedene Vereine. Bei dem einen braucht man sich um nichts anderes zu kümmern als ums Handballspielen, bei uns muss man schon versuchen, auch außerhalb des Spielfelds für die eigene Sache zu werben. Es war ein langer Weg, um dahin zu kommen, wo wir sind. Und es wird noch ein langer Weg sein, um da zu stehen, wo der THW steht. Das sind zwei Jahrzehnte Vorsprung. In Kiel weiß man einfach, dass alles läuft.

Klein: Moment mal! Ich habe Torsten zu Hause abgeholt. Er musste nicht einmal eine Sporttasche fürs Training mitnehmen. Das liegt alles in der Halle bereit. Das gibt es bei uns nicht. Aber was Toto wahrscheinlich meint: In Kiel brauchst du kein Plakat aufzuhängen, dass wir am Wochenende gegen die HSG Wetzlar spielen. Das Ding ist mit 10 000 Dauerkarten sowieso ausverkauft.

Jansen: Ich bin in der Anfangszeit noch zwischen irgendwelchen Einkaufszentren hin und her gefahren und habe Karten verschenkt. Die Reaktion war oft: "HSV Handball? Kenn ich nicht!"

Abendblatt: Das Spiel gegen Lübbecke hat am vergangenen Sonnabend 10 000 Zuschauer angelockt. Zählt dieser Erfolg für Sie genauso viel wie seine Titel?

Jansen: Das ist schwer zu vergleichen. Ich bin schon stolz auf das, was wir erreicht haben und dass ich diesen Erfolg mitgestalten konnte. Tatsache ist, dass ich mich für den etwas beschwerlicheren Weg entschieden habe.

Abendblatt: Wäre Ihre Karriere ohne Meistertitel unvollendet?

Jansen: So zu denken wäre vermessen. Es gibt viele gut Sportler, die nicht einmal in die Nähe davon kommen, an einem Titel zu schnuppern. Da gibt es viele Dinge, die wesentlich wichtiger sind.

Abendblatt: Kann sich der HSV eine weitere Saison ohne Titel erlauben?

Jansen: Die Erwartungen werden nicht von uns gemacht. Wir als Sportler können uns ja nicht vornehmen, Meister zu werden.

Klein: Mein Vater hat mir da einen schlauen Satz auf den Weg gegeben: Die Erwartung ist der Anfang der Enttäuschung. Andererseits: Wir in Kiel haben diese Erwartungen an uns selbst. Deshalb kann man auch nicht von einem leichteren Weg sprechen. Keiner von uns denkt, es ist einfach, deutscher Meister zu werden. Aber wenn du zum THW kommst, weißt du, dass es darum geht, am Saisonende auf dem Rathausplatz zu stehen. Nach dieser Philosophie werden auch die Charaktere der Spieler ausgesucht.

Jansen: Diese Mentalität haben sie sich über die Jahre erkämpft. Wenn man als neuer Spieler reinkommt, ist man da einfach drin.

Klein: Als ich 2006 zum THW kam, habe ich meine Mitspieler angesprochen: "Habt ihr gehört, der HSV hat den Souza und den Yoon geholt, unglaublich!" Was soll ich Ihnen sagen: Die Mitspieler haben das nicht gewusst.

Abendblatt: Der Tanker THW ist scheinbar auch durch die Manipulationsaffäre sportlich nicht vom Kurs abgekommen.

Klein: Die Energie, die so ein Tanker braucht, um weiterzufahren, kann ich nicht für andere Dinge vergeuden. Diese Emotionen fehlen mir dann auf dem Feld.

Jansen: Nichts anderes ist sinnvoll. Als es vor Jahren um die Existenz unseres Vereins ging, haben wir uns auch an unseren normalen Alltag geklammert.

Abendblatt: Hat die Affäre auch Ihr Vertrauen in die Sauberkeit des Handballs erschüttert?

Jansen: Zweifel an Schiedsrichterentscheidungen kann man immer haben. Im Handball kommt es vor, dass man das Gefühl hat, verpfiffen zu werden. Das liegt vielleicht in der Natur des Spiels.

Abendblatt: Der DHB will die unter Korruptionsverdacht stehenden Schiedsrichter Lemme/Ullrich wieder pfeifen lassen. Würden Sie sich dabei wohlfühlen?

Jansen: Ich hätte kein Problem.

Klein : Man will diese Affäre jetzt noch einmal aufrollen. Warum das Ganze? Das Feedback, das wir von den Fans erhalten, geht in eine andere Richtung. Sie wollen, dass wir das alles durchstehen. Dass wir es schaffen, ihnen die Emotionen, die Leidenschaft für den Handball zu vermitteln, egal was darüber geschrieben wird. Nach all den Vorwürfen einen solchen Zuspruch zu bekommen ist schon bemerkenswert.

Abendblatt: Am Sonntag soll Ihre Freundschaft für 60 Minuten ruhen. Funktioniert das wirklich?

Jansen: Ja, das geht. Da ist die Handbremse nicht angezogen. Wenn einen ein Freund foult, verstärkt das die Emotionen eher.

Klein : Ich spiele schon deshalb gern gegen ihn, weil wir uns dann wenigstens einmal wieder sehen.

Abendblatt: Sie haben sich als Zimmergenossen bei einem Lehrgang kennengelernt. Sollte man nicht ein Einzelzimmer haben?

Jansen: Mir fehlt manchmal schon eine Rückzugsmöglichkeit.

Klein: Andererseits entwickelt sich so auch das Gefüge einer Mannschaft. Wenn man sich auf einem Doppelzimmer nicht versteht, kann man sich auf dem Feld erst recht nicht verstehen.

Abendblatt: Welche Eigenschaft bewundern Sie am anderen?

Jansen: Von seinem Organisationstalent würde ich mir gern etwas abgucken. Dominik hat einen riesengroßen Terminplaner, da wird alles eingetragen ...

Klein: Halt, das gehört nicht hierher! Unsere Freundschaft hat sich, glaube ich, deshalb so gut entwickelt, weil wir auf einer Wellenlänge sind. Wir lachen über die gleichen Dinge, haben ein gewisses Gefühl und vor allem ein Ohr füreinander.

Abendblatt: Im Nationalteam kann aber nur einer spielen. Belastet das Ihre Freundschaft nicht?

Klein: Wir haben sogar schon zusammengespielt. Das war geil.

Jansen: Natürlich ist das auch ein Konkurrenzkampf. Insofern spiegelt es letztlich das Leben wider. Trotzdem missgönnt keiner dem anderen seine Einsatzzeit.

Klein: Auch wenn es banal klingt: Das Team steht im Vordergrund. Es kann nur funktionieren, wenn jedes kleine Team innerhalb dieses großen, in dem Fall wir Linksaußen, eine Einheit bildet.

Jansen: Ein halbes Jahr nach der WM interessiert sowieso keinen mehr, wer wie lange gespielt hat. Da ist jeder Weltmeister.

Abendblatt: Fühlen Sie sich denn noch als solcher, auch wenn Deutschland entthront wurde?

Jansen: Diese Emotionen, diese Gänsehaut kann uns keiner mehr nehmen. Im Moment hat man allerdings wenig Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, weil es immer nahtlos weitergeht.

Abendblatt: Wo bewahren Sie die Goldmedaille von 2007 auf?

Jansen: Ich glaube, im Keller. Wo genau, weiß ich wirklich nicht. Ich habe da einen Karton, in den immer alles reinkommt.

Klein: Meine Medaillen bis 2007 - danach kamen ja noch einige hinzu, was ich jetzt aber eigentlich gar nicht erwähnen wollte ...

Jansen: Nee, schon klar!

Klein: .. die sind bei meinen Eltern zu Hause. Allerdings hat meine Nichte die Goldmedaille erst mal auf den Boden gehauen, seitdem ist da eine Macke drin.

Abendblatt: Im Januar steht schon wieder eine Europameisterschaft an. Haben Sie Lust?

Jansen : Manchmal merke ich schon, dass es sehr viel ist. Dann wieder gibt es Wochen, in denen mir es gar nichts ausmacht. Das hängt auch davon ab, wie erfolgreich man ist oder was privat los ist. Aber ich fühle mich besser als vor zehn Jahren. Heute wird weniger trainiert, weil das Pensum sonst nicht zu schaffen wäre. Ich bin auch vernünftiger geworden und lasse mich mehr pflegen.

Klein: Wir kennen es nicht anders. Der Körper gewöhnt sich daran.

Jansen: Ich tue mich schwer, eine Welt- oder Europameisterschaft einfach auszulassen. Aber dabei bleibt es ja nicht. Beim Supercup im Oktober hatten wir drei Spiele in drei Tagen, da fragt man sich schon: Ist das wirklich nötig?

Abendblatt: Bundestrainer Brand findet, dass es in der Champions League zu viele Spiele gibt.

Jansen: Vor der Saison hieß es, sie sei reduziert worden. Ich habe mal nachgerechnet: Es sind genauso viele Spiele wie vorher. Das ist wie bei einer Frischkäsepackung, die bisher 200 Gramm hatte und jetzt 175, aber genauso aussieht und genauso viel kostet.

Klein: Die Frage ist: Wie bekommt man ein Ohr bei denen, die darüber entscheiden?

Abendblatt: Bräuchten Sie eine gewerkschaftliche Organisation?

Jansen: Wahrscheinlich schon. Es ist schwer genug, in einer Liga mit 18 Vereinen alle an einen Tisch zu bekommen. Von Europa ganz zu schweigen. Aber man sollte es in Angriff nehmen. Das mache ich dann, wenn ich mit meiner Karriere am Ende bin.