Nach der 1:2-Pleite in Bordeaux steht der Rekordmeister schon unter Druck. Zudem ist die Personalsituation angespannt.

München. Es war fünf Minuten vor Zwölf, als Karl-Heinz Rummenigge nach dem schwächsten Start in die Königsklasse seit sieben Jahren der Kragen platzte. «Ich würde euch dringend empfehlen, eine andere Gangart einzulegen. Das wird nicht der Erfolgsweg des FC Bayern sein», sagte der Vorstandsboss beim Bankett zu mitternächtlicher Stunde im noblen Regent Hotel von Bordeaux in Richtung der Spieler.

Diese an Klarheit nicht zu überbietende Ansage wurde bei «Seeteufel Bordelaise» und «Rinderfilet Maitre de Chai» mit Beifall der enttäuschten Sponsoren bedacht. Nach dem bitteren 1:2 (1:2) beim französischen Champion Girondins Bordeaux ist der in der Bundesliga auf Platz sechs abgeschlagene Rekordmeister auch in der Champions League als Gruppendritter schwer unter Druck geraten. Die Gesamtbilanz von Trainer Louis van Gaal ist bei Halbzeit der Hinserie noch schlechter als die von seinem später gefeuerten Vorgänger Jürgen Klinsmann vor einem Jahr.

In der Bundesliga sammelten die Bayern unter Klinsmann zu selbigem Zeitpunkt genauso viele Punkte, aber in der "Königsklasse" hatte man damals nach drei Spielen bereits komfortable sieben Punkte. Später scheiterten die Bayern im Achtelfinale am Champions-League-Sieger FC Barcelona. Bei derzeitigen vier Punkten ist das Erreichen des Achtelfinals in weite Ferne gerückt.

Besonders im Sturm hakt es gewaltig bei den Münchenern. Erst vier Tore erzielten die Bayern im europäischen Wettbewerb. Drei davon gegen Maccabi Haifa, gestern kam ein Eigentor hinzu.

Van Gaal noch schlechter als Klinsmann - bei Bayern ist es schon fünf vor Zwölf. Rummenigge sagte zu diesem Thema bei der wenig erbaulichen Frankreich-Reise nur, dass «Louis van Gaal weiß, dass wir Erfolg haben müssen». Fest steht, dass die Botschaft des arroganten Disziplinfanatikers («Wenn ich jetzt weg wäre, wen sollte Bayern dann verpflichten? Ferguson? Capello? Die sind vielleicht erfolgreicher, aber besetzt») nach fünf Monaten noch nicht bei der Mannschaft angekommen ist.

Für Präsident Franz Beckenbauer («Das Spiel ist für uns saublöd gelaufen») wirkt der Coach sogar «ein klein bisschen ratlos. Er ist noch auf der Suche.» Dies unterstrich auch van Gaal selbst, der auf die Frage, wie er sein Team ändern könne, gereizt antwortete: «Wenn ich das wüsste.»

Neben dem «Himmelsgeschenk» eines Eigentors von Michael Ciani (6.) gab es im ganzen Spiel durch den Pfostenkopfall von Luca Toni (72.) nur eine Großchance, dafür aber zwei Platzverweise gegen Thomas Müller (30.) und Daniel van Buyten (87.). Der abgestürzte Himmelsstürmer Müller suchte die Schuld jedoch nicht beim «Tulpen-General»: «Wir haben schon viel besser gespielt und da war der Trainer der Gleiche. Unsere Leistung war einfach erschreckend schwach.» Kapitän Mark van Bommel fand den leidenschaftslosen Auftritt «einer Spitzenmannschaft nicht würdig».

Der mit Blick auf die dauernde Diskussion um seine Nominierung fürs Nationalteam offenbar übermotivierte Müller entschuldigte sich bei seinen Kollegen für den Platzverweis: «Ich habe der Mannschaft und dem Verein mit meiner dummen Aktion geschadet.» Van Gaal sah den Schlüssel für die Niederlage jedoch nicht in der Gelb-Roten Karte gegen den Torjäger, sondern den zahllosen Ballverlusten im Mittelfeld: «Wir müssen lernen, den Ball zur richtigen Farbe zu spielen.»

Mit dem 1:2 durch einen Treffer des Eigentorschützen Ciani per Hacke (27.) und von Marc Planus (40.) waren die Bayern noch gut bedient, denn der starke Jörg Butt parierte gleich zwei Strafstöße gegen Yoann Gourcuff (66.) und Jussie (88.). «Jetzt ist eine Reaktion der Mannschaft gefragt. Wir stehen unter Druck und müssen in den beiden Heimspielen in der Champions League sechs Punkte einfahren», sagte der als Bayern-Boss bis Ende 2011 bestätigte Rummenigge.

Die Personalsituation wird immer angespannter, denn Müller und van Buyten werden beim Rückspiel gegen die Franzosen gesperrt fehlen. Zudem droht Superstar Franck Ribery wegen seiner anhaltenden Knieprobleme für den Rest der Hinrunde auszufallen. Kniespezialist Jean-Henri Jaeger, der den Franzosen am Donnerstag in Straßburg untersuchte, geht von einer zweimonatigen Pause aus.

Rummenigge akzeptiert das aber nicht als Entschuldigung und erwartet beim Bundesliga-Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt am Samstag die Wende: «Dazu bedarf es aber einer besseren und engagierteren Leistung als in Bordeaux.»

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