Für einen letzten Erfolg vor dem Rücktritt hat Frank Ullrich sich sogar mit Intimfeind Michael Greis geeinigt.

Berlin. An einem Punkt des Gesprächs lacht Michael Greis. Die Frage, ob er und Biathlon-Bundestrainer Frank Ullrich in Finnlands frostiger Finsternis am Polarkreis beim gemeinsamen Trainingslager aller Biathleten schon zum Kuscheln gekommen seien, amüsiert den dreimaligen Olympiasieger. Kuscheln nicht gerade: "Wir haben einen guten Weg gefunden, gemeinsam durch den Winter zu kommen." Sympathiebekundungen klingen anders, aber die einst angespannte Beziehung muss ja nur noch drei Monate halten.

Nach den Olympischen Spielen wird Ullrich zurücktreten. "Ich habe schon vor längerer Zeit bekannt gegeben, dass nach diesem Winter Schluss ist." Der Trainer und sein erfolgreichster Athlet können also einigermaßen harmonisch morgen in Östersund/Schweden in die Weltcupsaison starten. Noch vor etwas mehr als einem Jahr hielt Greis Trainer Ullrich veraltete Methoden und Starrsinn vor, er schwänzte die Lehrgänge mit dem Übungsleiter aus Oberhof, um mit seiner Ruhpoldinger Trainingsgruppe eine Alternative zu testen.

In diesem Sommer rückten sie wieder näher zusammen. Beim Kartenspielen. Greis weihte Ullrich in die Kunst des Pokerns ein. Der revanchierte sich mit einer Einführung in Skat. Überhaupt scheint Ullrich auf der Zielgeraden seiner Trainerkarriere mit sich im Reinen zu sein. Schwer setzten ihm zum Ende der vergangenen Saison die Vorwürfe des Staffelweltmeisters von 1987, Jürgen Wirth, zu. Der hatte von seinen Erfahrungen im DDR-Sport mit dem staatlich verordneten Steroid Oral-Turinabol berichtet und erklärt: "Ullrich hat uns damals angewiesen, dieses Mittel einzunehmen." Eine vom Deutschen Skiverband eingesetzte Kommission sprach Ullrich von diesem Vorwurf frei und empfahl dessen Weiterbeschäftigung, auch weil es sich in seinem Fall wohl die Dopingpraktiken betreffend um einen "unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus" handele.

Solch spitzfindige Formulierungen hätten Greis früher vielleicht herausgefordert. Da spielte er noch unverhohlen auf Ullrichs sportliche und gesellschaftliche Sozialisation in der DDR an. Jetzt zuckt Greis nur die Schultern: "Mit uns hat Ullrich über das Thema nie geredet, ich kenne auch die Aktenlage nicht." Doch es ist gut möglich, dass die unschöne Affäre die wundersame Öffnung Ullrichs begünstig hat, denn neben Greis hat auch Ullrichs Musterschüler Christoph Stephan erkannt: "Er geht jetzt viel mehr auf einen zu."

Ullrich musste sich ändern. Den 52-Jährigen, der früher als jugendfeindlich verschrien war, umgibt inzwischen eine junge Garde. Mit dem Oberhofer Stützpunkttrainer Mark Kirchner hat er neben Routinier Alexander Wolf (30) die komplette Jugendabteilung mit Stephan, Daniel Böhm (beide 23) und Arnd Peiffer (22) in seinem Dunstkreis. Und aus Ruhpolding nominierte er die starken Nachwuchskräfte Simon Schemp (21) und Christoph Knie (24) für den ersten Weltcup des Winters.

Ullrich muss die Nationalmannschaft bei Laune halten, denn bei den Männern deutet sich ein ähnlich hohes Niveau an wie bei den Frauen. Er sagt Sätze wie: "Die Mannschaft hat sich in den vergangenen Monaten unwahrscheinlich ins Zeug gelegt." Sorgfältig schenkt er seinem hoch dekorierten Skijäger Beachtung: "Selbst bei Michael Greis sieht es wieder richtig gut aus."

Greis behinderten in der Vorbereitung immer wieder Knieprobleme, doch mit dem maladen Gelenk scheint jeder Zwist vorläufig geheilt. "Es gibt ein beiderseitiges Interesse an Harmonie ", sagt Ullrich.