Im Herbst seiner Karriere wagt der Weltmeister aus Ungarn den Aufstieg ins Cruisergewicht.

Hamburg/Kiel. Es ist dieses spitzbübische Lächeln im Gesicht von Zsolt Erdei, an dem man erkennt, dass es besser wäre, bei der nächsten Antwort genau hinzuhören. Es folgen meist Sätze mit tieferem Hintergrund, was nicht bedeuten soll, dass der 35 Jahre alte Boxprofi aus dem Hamburger Universum-Stall in seinem perfekten Deutsch ansonsten nur Belangloses von sich gibt.

Zsolt Erdei lächelt also auf die Frage, ob es kein Problem gewesen sei, seinen WBO-WM-Titel im Halbschwergewicht einfach aufzugeben. Das nämlich hatte er tun müssen, um an diesem Sonnabend (23.15 Uhr, ZDF live) in Kiel in der nächsthöheren Gewichtsklasse, dem Cruisergewicht bis 91 kg, gegen WBC-Weltmeister Giacobbe Fragomeni (40, Italien) antreten zu dürfen. "Ich wusste ja gar nicht, dass ich es musste", sagt er dann. Klassischer Fall von Missverständnis also, oder doch kalkuliertes Possenspiel seines Promoters, der anstelle von Erdei sein deutsches Zugpferd Jürgen Brähmer auf den frei gewordenen WM-Thron hievte und so ein riskantes Stallduell umging? "Lass uns über etwas anderes reden", sagt er und lächelt wieder.

Erdei hat dem Ausflug ins Cruisergewicht zugestimmt, weil er sicher ist, ihn erfolgreich gestalten zu können. Es reizt ihn, erster Ungar zu sein, der in zwei Gewichtsklassen Weltmeisterehren erlangt. Vor allem aber ist der Kampf das Highlight, nach dem der 178 cm große Athlet seit Jahren dürstet. Titelvereinigungen im Halbschwergewicht mit den Weltmeistern Tavoris Cloud (IBF) und Gabriel Campillo (WBA) scheiterten kurzfristig, deshalb stand Erdei im Januar zuletzt im Ring. "Ich bin nicht mehr der Jüngste, deshalb habe ich zugegriffen, als Universum mir die Chance gegen Fragomeni geboten hat", sagt er. Er habe jetzt als Herausforderer weniger zu verlieren. Lediglich die Makellosigkeit seines Kampfrekords - 30 Kämpfe, 30 Siege - gelte es zu verteidigen.

Erdei hat sich akribisch wie immer vorbereitet. Konditionell ist er, so sagt es Trainer Fritz Sdunek, noch immer einer der Besten bei Universum, wo er seit 2000 als Profi arbeitet und mittlerweile als Vorbild für die jungen Talente die Rolle spielt, die früher Dariusz Michalczewski innehatte. Diesmal trainierte Erdei mit dem beruhigenden Gedanken im Hinterkopf, nicht allzu sehr auf sein Gewicht achten zu müssen. "Ich habe aber nicht mehr gegessen als sonst, weil ich mir sonst meine wichtigste Waffe rauben würde: meine Schnelligkeit", sagt er.

Tatsächlich dürfte es gegen den gleich großen, aber 7,7 kg schwereren Italiener darauf ankommen, mit starker Beinarbeit und schnellen Händen dessen Dauerdruck zu entkommen. "Fragomeni wird bedingungslos nach vorn marschieren", glaubt Erdei, "und ich muss mich damit abfinden, dass er alle meine Schläge wegstecken kann. Das ist eine mentale Herausforderung. Ich verspreche einen spektakulären Kampf."

Dieses Spektakel hatte Erdei in seinen letzten Kämpfen vermissen lassen und sich damit den Ärger seines Promoters und von dessen TV-Partner ZDF zugezogen. Mit dem Kampf gegen Fragomeni soll unter diese Streitereien ein Schlussstrich gezogen werden; auch, weil Erdei seine Laufbahn in absehbarer Zeit beenden wird. Eine Niederlage in Kiel könnte bereits das Ende sein. Den Weg in das Leben nach dem Sport hat er mit dem Einstieg in die Sporternährungsbranche - für den ungarischen Markt hat er Diät-Nudeln entwickelt -, bereits geebnet. Für Erdei ist klar, dass die verbleibende Zukunft im Ring nicht im Cruisergewicht liegt. "Ich denke, dass das eine einmalige Sache bleibt. Es ist doch gut, dass ich gegen Fragomeni schon mal üben kann, wie man als Herausforderer boxen muss", sagt er - und lächelt sein spitzbübischstes Lächeln.