Die Weltklassespieler im ersten gemeinsamen Interview über die Stimmung in Hamburg, das Potenzial des Teams und ihre Pläne.

Hamburg. An dem Blick konnte er sich nicht sattsehen. Igor Vori (29) stand am Fenster des HSV-Restaurants "Raute" und schaute minutenlang ins Stadioninnere. "Eine wunderschöne Arena", befand der neue Star der HSV-Handballer, und sein kroatischer Landsmann Domagoj Duvnjak (21) nickte und lächelte; wie immer ein bisschen verschmitzt und lausbubenhaft. Duvnjak gilt als eines der größten Handballtalente der Welt. Der HSV zahlte für ihn rund eine Million Euro Ablöse.

Voris Urteil über die Nordbank-Arena hat Gewicht. Von 2005 bis 2007 spielte der Kreisläufer beim FC Barcelona und war damals öfter Gast im Fußballstadion Nou Camp. Den HSV haben weder Vori noch Dunvjak Fußball spielen sehen. Das soll sich ändern. Die Deutschkroatin Julia Ninic (32) organisiert gerade Karten für das HSV-Bundesligaspiel am Sonnabend gegen Borussia Mönchengladbach. Ninic ist bei den Handballern zuständig für Marketing und Kommunikation und an diesem Mittag für die Übersetzung des Interviews. Vori und Duvnjak bestellen Rumpsteak mit Pommes frites und Salat. "Rumpsteak ist in jeder Sprache Rumpsteak", sagen sie. Beide lernen mit ihren Partnern seit acht Wochen Deutsch, die ersten Sätze gelingen schon. Duvnjak hat dabei den Vorteil, in der Schule vier Jahre lang Deutsch als Unterrichtsfach gehabt zu haben. "Das meiste habe ich aber wieder vergessen", sagt er - auf Deutsch.

Beim Herausgehen bleibt Vori eine Etage tiefer im HSV-Fan-Shop hängen. Für Söhnchen Petar (vier Monate) kauft der stolze Vater zwei kleine Trikots. Kennenlernen wollen die beiden demnächst Mladen Petric. Bisher scheiterte ein Treffen mit dem kroatischen Fußball-Nationalspieler des HSV an dem randvollen Programm beider Teams. Petric' Verletzung sollte einen Termin möglich machen, hofft Ninic. Auch daran arbeitet sie.

Abendblatt: Herr Vori, Herr Duvnjak, die HSV-Handballer sind mit sieben Siegen so gut wie nie in eine Bundesligasaison gestartet. Viele sagen, das sei vor allem Ihr Verdienst.

Igor Vori: Diese Leute haben keine Ahnung (lacht). Nein, nein, es ist immer ein Verdienst der gesamten Mannschaft, und ich bin stolz, wir sind stolz, Mitglied dieses außergewöhnlichen Teams sein zu dürfen.

Abendblatt: Sind Sie überrascht, dass die Integration in Hamburg derart problemlos lief?

Domagoj Duvnjak: Unsere Mitspieler haben es uns supereinfach gemacht. In dieser Mannschaft herrscht eine tolle Atmosphäre, auf dem Spielfeld und außerhalb. Alle haben uns geholfen, dass wir uns hier wohl fühlen. Alle Leute, auch im Umfeld, haben uns vermittelt, dass wir willkommen sind. Das ist ein gutes Gefühl.

Abendblatt: Herr Vori, Sie haben in Zagreb und Barcelona gespielt. Wie fällt Ihr Vergleich mit dem HSV aus?

Vori: Alle drei sind professionell geführte große Klubs. Beim HSV fasziniert mich, wie sich die Menschen hier für Handball begeistern, dass sie Handball leben. Das ist eine neue Erfahrung. Und natürlich die Color-Line-Arena. Die Stimmung ist phänomenal. Wenn ich zum Spiel fahre, fängt es jedes Mal schon zu Hause an im Bauch zu kribbeln.

Duvnjak: Das macht hier richtig Spaß. Das ist fast jedes Mal eine Atmosphäre wie bei einem WM-Finale. Beim Einlaufen bekomme ich eine Gänsehaut.

Abendblatt: Ist die Bundesliga die beste Handball-Liga der Welt?

Vori: Eindeutig ja. In Kroatien gibt es neben unserem alten Klub HC Zagreb keine weitere Mannschaft auf diesem Niveau. In Spanien dominieren vier bis sechs sehr starke Vereine die Liga, die alle zur europäischen Spitzenklasse gehören. Allerdings hat die Finanzkrise im spanischen Handball - auch im kroatischen - deutliche Spuren hinterlassen. In der Bundesliga dagegen kannst du dich in keinem Spiel ausruhen. Da musst du dich gegen den Tabellenzehnten oder -zwölften genauso reinhängen wie gegen den Meister THW Kiel. Das macht die deutsche Liga einzigartig.

Duvnjak: In Kroatien haben wir uns mit Zagreb vor allem auf die Champions-League-Begegnungen vorbereitet. Die Ligaspiele haben wir zum Teil wie Trainingsspiele bestritten - und trotzdem klar gewonnen.

Abendblatt: Kann man sagen, dass Sie für Ihr Geld noch nie so hart arbeiten mussten wie beim HSV?

Duvnjak: Handball spielen macht mir riesigen Spaß, und der steigert sich noch, wenn man eine gute Mannschaft besiegt. Um das zu schaffen, musst du entsprechend hart arbeiten. Ich will mich weiter verbessern.

Abendblatt: Kann der HSV deutscher Meister werden und die Champions League gewinnen?

Vori: Unsere Mannschaft hat das Potenzial, alles zu gewinnen - wie Kiel in Deutschland und Ciudad Real, der FC Barcelona oder Montpellier in Europa. Ob wir es am Ende wirklich schaffen, hängt in den entscheidenden Spielen oft an Nuancen.

Duvnjak: Und vor allem daran, ob alle gesund bleiben.

Abendblatt: Beim Champions-League-Spiel des HSV gegen Zagreb fiel uns auf, wie schnell der HSV inzwischen Handball spielt. Wird in der Bundesliga moderner gespielt als anderswo?

Vori: Das ist keine Frage der Taktik, sondern der individuellen Qualitäten. Es geht auch nicht um modern oder unmodern, nur um Erfolg oder Misserfolg. Beim HSV haben alle Spieler die Klasse, jedes System spielen zu können.

Abendblatt: Können Sie sich vorstellen, nach dem Ende Ihrer Karriere weiter im Ausland zu leben?

Duvnjak: Ich bin ja gerade mal zwei Monate in Deutschland, und es gefällt mir in Hamburg hervorragend. Bisher habe ich geplant, irgendwann einmal wieder in meine Heimat zurückzukehren. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Ich bin noch sehr jung.

Vori: Das muss die Familie entscheiden. Natürlich bleibt die Rückkehr nach Kroatien unsere erste Option.

Abendblatt: Was wären Sie geworden, wenn es für Sie nicht zum Handballprofi gereicht hätte?

Duvnjak: Ich wollte immer Sportlehrer werden, vielleicht werde ich das ja noch.

Vori: Wahrscheinlich wäre ich Busfahrer geworden. Mein Vater hat ein privates Busunternehmen. Ich weiß nur nicht, ob er mich eingestellt hätte. Ich fahre ihm zu temperamentvoll.

Aktuelle News, Ergebnisse und Hintergrundberichte rund um das Thema HSV Handball und aus der Handball Bundesliga per SMS-Dienst auf Ihr Handy.