Konkurrenz-Teams wie Ferrari stecken schon jetzt alle Ressourcen in die Entwicklung des Autos für die neue Saison.

São Paolo. Der spontanen Party im "Hotel Transamerica" ging ein technischer Defekt voraus. Weil sein British-Airways-Rückflug nach London annulliert worden war, checkte der neue Weltmeister kurzerhand wieder in der Nobelherberge der brasilianischen Metropole São Paulo ein. "Jetzt muss ich mir erst mal einen Schluck genehmigen", raunte Jenson Button den englischen Reportern zu, die er mit seiner Rückkehr überrascht hatte, und schlenderte zur Hotelbar. Teamkollege Rubens Barrichello lieh dem 29 Jahre alten Briten schließlich seinen Privatjet, damit er gestern Morgen in die Heimat fliegen konnte, zurück zu Freundin Jessica Michibata, dem Unterwäsche-Model. Als Jenson Button auf seinen ersten Titel mit Bacardi-Cola anstieß ("Ich hätte noch vor zwei Wochen nicht geglaubt, dass ich tatsächlich Formel-1-Weltmeister werden kann"), saß Sebastian Vettel traurig am Flughafen. Der 22-Jährige kämpfte immer wieder mit den Tränen und wollte nach dem jäh geplatzten Titeltraum nur noch schnell weg in seine Schweizer Wahlheimat. Sein Flug war pünktlich.

Dass er sich nach dem vierten Platz in Brasilien auf Rang zwei der WM-Wertung verbessert hatte und damit in zwei Wochen in Abu Dhabi die Saison als WM-Zweiter beenden kann, tröstete Vettel nicht. "Wir haben nicht gewonnen, mir ist es egal, ob ich jetzt Zweiter oder Dritter bin. Der Zweite ist der erste Verlierer", sagte der Red-Bull-Pilot. Dann drehte sich Vettel um und wischte sich die Tränen aus den Augen.

Für die Londoner "Times" hatte sein Konkurrent Button "eines der beeindruckendsten Comebacks in der Sportgeschichte" vollbracht. Im Winter noch arbeitslos ("Ich hatte keine Ahnung, ob ich in diesem Jahr noch in der Formel 1 fahren würde"), startete er nach dem Honda-Ausstieg und der Rettung des Teams durch Ross Brawn durch und feierte nicht nur seinen Titel, sondern mit der Mannschaft auch die Konstrukteurs-WM - und das zum Billigtarif.

Auf sechs Millionen Euro Gage verzichtete Button in diesem Jahr als Chauffeur des sanierten Rennstalls, selbst die Reisespesen für die 17 Grand-Prix-Rennen liefen auf Buttons Rechnung. "Was wir nach diesem Winter erreicht haben, ist außergewöhnlich. Ich glaube nicht, dass es so eine Saison in der Formel 1 schon einmal gegeben hat", sagte Button und lobte vor allem Superhirn Ross Brawn. "Dieser Mann verdient eine Medaille", schwärmte er über seinen Chef, der einst bei Benetton und Ferrari schon Michael Schumacher zu dessen sieben WM-Titeln geführt hatte: "Er war schon in allen möglichen Situationen. Das hat mir geholfen. Ich glaube nicht, dass wir es ohne ihn geschafft hätten."

Während sich Vettel bei der Premiere in Abu Dhabi mit einem Sieg in den Urlaub abmelden und sich in den nächsten Tagen mit Arbeit "eindecken" will, auch um seine Enttäuschung zu verdrängen, lässt Button die Saison ganz "entspannt" ausklingen. "Es wird vielleicht mein einziger Titel bleiben", dämmerte es ihm bereits.

Denn nächste Saison, das versprechen die Macher aller renommierten Rennställe, wird wieder geklotzt. Die überlegene Brawn-Technik nahm in dieser Saison dem Titelkampf die Würze, jetzt verspricht Mercedes-Sportchef Norbert Haug: "Wir arbeiten mit Hochdruck, damit wir 2010 von Anfang an um die Spitze mitfahren werden." Ferrari hat die laufende Saison bereits im Sommer abgehakt und alle Ressourcen in die Entwicklung des Autos für die kommende Saison gesteckt.

Allerdings hält das neue Reglement wie schon in dieser Saison eine große Unwägbarkeit bereit. Die Formel-1-Boliden brauchen von 2010 an größere Tanks, weil das Nachtanken verboten ist. Was als ein effektiver Schritt zur Kostenreduzierung gedacht ist, weil weniger Personal und Tankausrüstung gebraucht wird, sorgt auch bei den großen Rennställen für Kopfzerbrechen. So können ein geringer Spritverbrauch eines Motors und die damit verbundenen Gewichtsunterschiede der Tankmengen Rennen mitentscheiden, wie Mercedes-Mann Haug glaubt.

Jenson Button ist bei den Buchmachern nur Außenseiter für die Mission Titelverteidigung. Der Strahlemann aus Frome will übrigens bei Brawn bleiben. Einen neuen Vertrag besitzt er nicht. Es geht noch ums Geld, heißt es aus dem Button-Lager. Zum Billigtarif ist er nicht mehr zu haben.

McLaren-Mercedes muss für die spektakuläre Panne beim Tankstopp von Heikki Kovalainen in São Paulo 50 000 Dollar Strafe zahlen. Der Finne hatte beim Großen Preis von Brasilien bei einem Boxenstopp den Tankschlauch mitgerissen. Als sein Landsmann Kimi Räikkönen im Ferrari durch das auslaufende Benzin fuhr, entstand kurzfristig ein großer Feuerball.