Der Belgier Jacques Rogge bleibt für weitere vier Jahre Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Kopenhagen. Jacques Rogge ist nach dem neuntägigen Olympia- Marathon von Kopenhagen auf dem Gipfel seiner Macht. Seine überwältigende Wiederwahl als IOC-Präsident mit 88:1 Stimmen war am Freitag die erste Bestätigung seiner Stärke, fünf Stunden später brachte der 67 Jahre alte Belgier auch noch „seine“ Sportarten durch: Golf und Rugby feiern bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro ihr olympisches Comeback. Rugby wurde mit 81:8 Stimmen gewählt, Golf (63:27) erhielt von den Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ebenfalls eine deutliche Mehrheit.

„Die olympische Bewegung ist stärker und vereinter denn je. Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben, aber jetzt gilt der Blick der Zukunft. Es gibt viel zu tun“, sagte der Ober-Olympier vor der 121. IOC-Vollversammlung. Nach acht Jahren im Amt wird er als wohl letzter Amateur an der Spitze der wichtigsten Sportorganisation der Welt bis 2013 die Geschicke des IOC leiten. Seine potenziellen Nachfolger Thomas Bach (Tauberbischofsheim) und Richard Carrion (Puerto Rico) gehörten zu den ersten Gratulanten.

Auch der 80-Jährige Walther Tröger schloss sich den Glückwünschen an. Der Doyen der deutschen Sportpolitik wurde nach 21 Jahren im IOC zum Ehrenmitglied ernannt, darf damit weiter an allen Spielen und Sessionen teilnehmen, hat aber kein Stimmrecht mehr. Trotzdem kann er der Münchner Bewerbung um die Winterspiele 2018 allein durch seine Präsenz helfen. Die bayerische Landeshauptstadt will trotz des öffentlichen Darlehens von einer Million Euro die 30 Millionen Euro für die Bewerbung weiter durch Privatmittel finanzieren.

Anders als Tröger ließ Rogge nach der Mandatsverlängerung die ganz großen Gefühle nicht heraus. „Das ist ein schöner Moment, aber morgen arbeiten wir weiter, schnell und hart“, kommentierte er, „am Montag werde ich erstmal fünf bis zehn Kilometer laufen, eher fünf.“ Die Mammut-Meetings in der dänischen Hauptstadt haben viel Kraft gekostet. Umso größer war seine Erleichterung, dass nach zwei Niederlagen endlich die überfällige Reform des olympischen Programms geglückt ist. Durch die Re-Integration von Golf und Rugby mit sieben statt 15 Akteuren pro Team wird das Angebot bei den Rio-Spielen 2016 wieder auf 28 Sportarten aufgestockt. Tiger Woods warb in einer Video-Botschaft persönlich für die Rückkehr von Golf – 112 Jahre nach dem letzten Olympia-Auftritt. Rugby war zuletzt 1924 olympisch.

„Dank Ihrer Führungsqualitäten ist die olympische Bewegung stärker denn je. Sie sind ein großartiger Präsident“, lobte IOC- Ehrenpräsident Juan Antonio Samaranch. Am 16. Juli 2001 hatte Rogge als achter IOC-Boss die Regentschaft von Samaranch übernommen. Der ehemalige Chirurg und Orthopäde war mit edlen Plänen angetreten. Ein Reformer wollte er sein, die Korruption bekämpfen, den Gigantismus eindämmen, den Dopingsumpf trockenlegen, die Frauenquote erhöhen und das olympische Programm modernisieren. Eine moralische Erneuerung war nach dem größten Bestechungsskandal der IOC-Geschichte 1999 dringend nötig.

Mit Eloquenz, Transparenz und Integrität verschaffte der charismatische Rogge der Weltregierung des Sports neues Ansehen. Als ehemaliger Olympia-Segler und Rugby-Nationalspieler kennt er das Seelenleben der Athleten, als ehemaliger Mediziner steht er für Glaubwürdigkeit im Anti-Doping-Kampf. Rogge weiß, dass Olympia nur durch ein konsequentes Vorgehen gegen Pharmabetrug überleben kann.

„Als ich das Amt übernommen habe, wollte ich vor allem die olympischen Werte wieder in den Vordergrund stellen. Deshalb habe ich den Anti-Doping-Kampf zur obersten Priorität gemacht“, sagte er. Vier Olympische Spiele (Salt Lake City 2002, Athen 2004, Turin 2006, Peking 2008) hat er seitdem als Präsident erlebt und dabei einen Wandel vom Idealisten zum Pragmatiker durchgemacht.

Nicht nur bei der Programmgestaltung steckte er bittere Niederlagen ein. Vor den Peking-Spielen, die er von Samaranch „geerbt“ hatte, musste Rogge sogar öffentlich eine Krise eingestehen. Politiker, Spitzenfunktionäre und die Weltpresse warfen ihm Führungsschwäche vor, weil er die Teilenteignung der Spiele gestattet und den chinesischen Olympia-Machern verbal „Streicheleinheiten“ verabreicht hatte. Auch für die Vergabe der Retortenspiele 2014 an Sotschi, an Wladimir Putin und dessen Oligarchen-Freunde wurde Rogge verantwortlich gemacht, doch schon davor hatte der Vielgescholtene eine Kurskorrektur vorgenommen. Rogge setzte auf das Geld.

Konsequent ging er den kommerziellen Weg von Samaranch weiter. Mit steigenden Umsatzzahlen hielt er seine Kritiker still und stellte die olympische Familie zufrieden. Als Dankeschön für die Rekordeinnahmen bekam der smarte Taktiker sogar sein umstrittenstes Projekt durch: Die olympischen Jugendspiele sollen jetzt sein Vermächtnis werden. „Ich befinde mich in einer angenehmen Situation – und das IOC auch“, sagte er stolz.