Es war Sommer, Azelia Liu hatte in ihrer Heimatstadt Toronto gerade ihr Lehramtsstudium beendet und den Entschluss gefasst, vor dem Einstieg ins Arbeitsleben noch ein wenig Freiheit zu genießen.

Hamburg. Da sie als Torhüterin von Kanadas Hockey-Nationalmannschaft in der niveauarmen nationalen Liga nur selten ernsthaft gefordert wurde, wollte die 30-Jährige im Ausland Erfahrung sammeln. Die Frage war nun: wo? Lose Kontakte nach Belgien hatte Liu, eine ernsthafte Perspektive jedoch nicht.

Zur selben Zeit war in Hamburg das Bundesligateam des Klipper THC auf Torwartsuche. Kelly Köpp, kanadische Mittelfeldspielerin des Klubs, erinnerte sich an das Interesse ihrer Nationalteam-Kollegin an einem Auslandsjahr und nahm Kontakt auf. Wenige Wochen später, Mitte August, stand Liu erstmals mit ihren neuen Kolleginnen auf dem Trainingsplatz. An diesem Wochenende erlebt sie, da Stammtorhüterin Sabine Heinzen verletzt fehlt, in den Heimspielen gegen den Harvestehuder THC (Sa., 17 Uhr) und den Club an der Alster (So., 17 Uhr, beide Eckerkamp) ihre ersten Hamburger Derbys.

"Natürlich freue ich mich darauf. Die deutsche Liga ist sehr stark, ich kann mich in jedem Spiel verbessern und etwas lernen", sagt Liu, die sich besonders durch ihre Beweglichkeit auf der Linie auszeichnet. "Sie ist eine gute Torhüterin, vor allem aber menschlich durch ihre fröhliche Art eine Bereicherung", sagt Trainer Björn Gerke. Liu, die nahe des Klubgeländes bei einer Gastfamilie lebt, fühlt sich von ihrem neuen Team "sehr warmherzig aufgenommen". Einzig die Sprache sei eine Barriere, die noch überwunden werden müsse. "Ich lerne gerade ein paar Schlüsselworte, die ich im Spiel brauche", sagt sie, "aber die Ansprachen des Trainers muss Kelly mir übersetzen."

Ursprünglich hatte die nur 1,57 m große Athletin, deren Eltern einst aus Hongkong nach Kanada emigrierten, Eishockey-Torhüterin werden wollen. Ihre Eltern waren aus Sorge vor Verletzungen jedoch dagegen. So kam Liu durch ihre Schwester Abbie (32) zum Hockey - und "infizierte" später auch noch ihre Zwillingsschwester Amaris mit dem Krummstock-Virus. Den Weg ins Ausland, in eine der stärksten Ligen der Welt, fand sie jedoch als einzige. Wie lang sie ihn gehen wird, ist noch nicht klar, auf jeden Fall aber in diesem Winter in der Halle und bis zum Juni, wenn die Feldsaison endet. Dann ist wieder Sommer, und Azelia Liu wird ihr Leben neu planen.