Button verpasst als Achter den vorzeitigen WM-Sieg. Auch bei den Konstrukteuren ist die Entscheidung vertagt.

Suzuka. Zwei Finger ragen aus dem Red-Bull-Cockpit, als Sebastian Vettel nach 53 Runden auf die Zielgerade des Suzuka International Circuit einbiegt, seinem dritten Saisonsieg entgegen. Er rammt sie mit einer Wucht in den blauen japanischen Himmel, als sollten sie einen imaginären Gegner in die Augen treffen. Es ist nicht bloß das übliche Vettel-V, sondern soll nach dem perfekten Start-Ziel-Sieg im drittletzten Rennen dieser doch noch spannender gewordenen Formel-1-Weltmeisterschaft anzeigen: Seht her, ich bin wieder da, und was mir heute gelungen ist, habe ich jetzt noch zweimal vor!

Neun Punkte hat er gutgemacht mit seinem dritten Saisonsieg. Die Chance ist mit nun 16 Punkten Rückstand auf Jenson Button und 14 auf Rubens Barrichello im Brawn-Mercedes immer noch nicht übermäßig groß, aber die Topform des Autos, das Hochgefühl der schnellen Piste von Suzuka und die ausradierte Schmach des verschenkten zweiten Platzes von Singapur münden bei dem Heppenheimer in eine Trotzreaktion. Zwei Rennen in einer Woche, aber ein Unterschied wie Tag und Nacht. Button und Barrichello fuhren auf Nummer sicher, das kann sich der deutsche Angreifer nicht leisten.

Auf dem Podium mit dem zweitplatzierten Jarno Trulli (Toyota) und Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) schloss er für einen Moment die Augen, die Mimik entspannte sich, aber das war es auch schon mit dem Genuss. Den ersten Matchball hat er abgewehrt, die entscheidenden beiden kommen jetzt im Zweiwochenrhythmus in São Paulo und Abu Dhabi. Button bilanziert perspektivisch: "Für uns geht es nur noch darum, ins Ziel zu kommen und so viele Punkte zu holen wie möglich. Unser Tempo war nicht mal in der Nähe der Red Bulls."

Vettel wäre gern Wunder-Kind: "Ich kann es noch schaffen, nach dem heutigen Resultat sieht es ein bisschen besser aus. Es ist noch alles möglich, die Dinge können sich schnell ändern, wie wir gesehen haben." Mut macht ihm das Beispiel von 2007, als Kimi Räikkönen noch einen Rückstand von 17 Zählern in den letzten beiden Läufen aufholte. "Fragt ihn doch mal", ulkte er auf der Siegerpressekonferenz und zeigte auf Nebensitzer Hamilton, der damals alles noch verzockt hatte. Wie Räikkönen das Kunststück vollbracht hat, darüber braucht sich Vettel bei dem Finnen nicht zu erkundigen: "Wer den Kimi kennt, der weiß, dass er nicht viel nachdenkt, sondern einfach nur Gas gibt. Genau das muss ich jetzt auch tun."

In einem unspektakulären Rennen war nach der ersten Kurve eigentlich alles klar, als sich der 22 Jahre alte Deutsche von der Poleposition aus in der Mitte vor Hamilton und Trulli breitmachen konnte. An der Prozession mit wenigen Platzwechseln änderte auch die von Jaime Alguersuari sieben Runden vor Schluss mit einem spektakulären, aber glimpflichen Unfall ausgelöste Safety-Car-Phase nichts mehr.

Button hatte schon vor dem Rennen nicht richtig an einen vorzeitigen Titelgewinn geglaubt. Unter die ersten acht kam er in Runde 14 ohne eigenes Zutun, als Adrian Sutil im Force India den McLaren-Piloten Heikki Kovalainen beim Überholversuch übel schnitt und sich dann drehte. Der Gräfelfinger belegte am Ende den 13. Rang.

Red-Bull-Teamchef Horner blies nach dem Taifun auf der Piste auch verbal zum Angriff: "Wir haben den Kampf offen gehalten. Der Druck liegt jetzt bei Brawn." Die Konstrukteurs-WM wäre in Japan schon fast an Brawn-Mercedes gegangen, ein halbes Pünktchen hat dazu gefehlt. Den entscheidenden Zähler hätte fast der Protest gegen den fünften Platz des Wiesbadeners Nico Rosberg gebracht, der während der Safety-Car-Phase zu schnell gewesen sein soll. Abgelehnt, so blieb auch Nick Heidfeld korrekter Sechster. Nach Vettels Fingerzeig in weiteres Indiz, dass die Nerven-Weltmeisterschaft gerade erst begonnen hat.