Deutschlands nervenstarke Volleyballerinnen stehen kurz vor dem Einzug ins EM-Halbfinale und haben die erste Medaille seit sechs Jahren vor Augen.

Kattowitz. Überglücklich tanzte das Team um die überragende Hamburgerin Margareta Kozuch nach dem 3:2 (25:9, 23:25, 25:27, 25:17, 15:8) im Schlüsselspiel gegen den WM-Dritten Serbien durch die Halle. Platz zwei in der Zwischenrunde in Kattowitz ist erobert - jetzt wollen alle zum Finale nach Lodz fahren.

"Wir waren schon tot. Jetzt wollen wir die Medaille", sagte Lisa Thomsen nach dem 124-Minuten-Thriller. Bundestrainer Giovanni Guidetti küsste jede Spielerin: "Das war der wichtigste Sieg der letzten Jahre. Diese Mannschaft ist unglaublich, die geben einfach nie auf.

Ein Publikumserfolg ist die EM schon jetzt. Volle Hallen, volle Kassen - der deutsche Volleyball will mit Blick auf die EM-Bewerbung für 2013 vom Nachbarn Polen lernen. "Das ist fantastisch. Die Polen haben es geschafft, den Volleyball zu einer Topsportart zu machen - trotz Fußball", sagt Verbandschef Werner von Moltke. Vor gut zwei Wochen wurden die polnischen Männer in der Türkei erstmals Europameister und nach der Rückkehr von Tausenden Fans inklusive Staatsführung empfangen. Derzeit läuft die Frauen-EM im neuen Volleyball-Wunderland und bricht alle Zuschauerrekorde.

Zur Vorrunde kamen 106 350 Zuschauer, bis zum Finale am Sonntag sollen es 250 000 sein. Bei jedem Spiel des Gastgebers verwandeln 13 000 Anhänger die Arena in Lodz in ein rot-weißes Fahnenmeer, im Fernsehen schauen live vier Millionen zu.

"Die Stimmung ist genial, die Organisation perfekt", sagt Guidetti. Neben dem Sport stimmt auch die Show: Vor jedem Spiel tanzen leicht bekleidete Girls, in den Satzpausen schießen Stelzenmänner mit Luftkanonen T-Shirts in die jubelnde Menge.

"Es ist Wahnsinn, was die Polen an Zuschauern und Sponsoren haben", sagt von Moltke. Während dem DVV nach dem Hauptsponsor-Rückzug 300 000 Euro fehlen, lösten die Polen mit den Fernsehrechten - aus Deutschland ist nicht einmal ein TV-Team angereist - etwa 30-mal so viel ein wie vor zehn Jahren. Ein Mobilfunkanbieter als Sponsor zahlt pro Jahr 7,5 Millionen Euro. Das Engagement rechnet sich, inzwischen kann Volleyball selbst mit Stars wie Robert Kubica (Formel 1) oder Adam Malysz (Skispringen) mithalten. Vor allem Familien strömen in Scharen. Sogar wenn Polen nicht spielt: 4000 kamen zum Duell zwischen Tschechien und Deutschland - und pfiffen den ungeliebten großen Nachbarn gnadenlos aus.