Er fühlte sich wie ein “trauriger Clown“, als “Glühbirne“, wurde von Mitspielern als “Deislerin“ verspottet. Sebastian Deisler erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen Ex-Klub Hertha BSC Berlin: Der frühere Fußballprofi hat sich knapp drei Jahre nach seinem Rückzug aus dem Leistungssport zurückgemeldet.

Berlin. Am 8. Oktober erscheint seine Biografie "Zurück ins Leben".

Über seine Zukunft sagte Deisler der Wochenzeitung "Die Zeit": "Vielleicht mache ich eine Fußballschule auf, hier in der Nähe. Ohne Drill und den Anspruch, kleine Helden hervorzubringen." Vor zwei Wochen ist er von Berlin in seine Heimatstadt Lörrach zurückgezogen. "Alles, was mir seit dem Beginn meiner Karriere gefehlt hat, sind doch Wurzeln. Für die anderen war ich ein Star - aber ich habe mich gefühlt wie eine Glühbirne, die einsam von der Decke hängt. Nackt", sagte Deisler.

Im Januar 2007 hatte er nach Verletzungen und Depressionen seine Profikarriere beendet und war seither nicht mehr öffentlich aufgetreten. Jetzt macht er seinem früheren Verein Hertha BSC Berlin schwere Vorwürfe. "Hertha BSC, das muss ich ehrlich sagen, war als Verein so unfertig wie ich als Spieler. Die waren froh, mich ins Schaufenster stellen zu können. Ich bin unglücklich geworden, als ich versucht habe, andere glücklich zu machen. Ich fühlte mich wie ein trauriger Clown", meinte Deisler über seine Zeit beim Hauptstadt-Klub von 1999 bis 2002.

Als Knackpunkt seiner Karriere bezeichnete der 29-Jährige das Bekanntwerden seines bevorstehenden Wechsels von Berlin zu Bayern München. Deisler erhielt Morddrohungen, doch der damalige Hertha-Manager Dieter Hoeneß habe ihn mit der öffentlichen Stimmung allein gelassen: "Stattdessen hat er zugesehen, wie ich aus Berlin hinausgeprügelt wurde. Das ist es, was mir den Fußball versaut hat. Das war mein Genickschuss. Heute weiß ich, dass ich damals hätte aufhören müssen."

Im Jahr nach seinem Wechsel nach München, im November 2003, machte Deisler seine Depressionen öffentlich. Nach seiner Genesung habe er nie wieder richtig zurückgefunden. "Ich habe lange gehofft, dass meine Freude am Spiel selbst so groß ist, dass ich alles andere wegdrücken kann. Aber das ging nicht. Ich bin nie mehr Teil des Ganzen geworden, ich war so weit weg von der Mannschaft. Einige haben mich hinter vorgehaltener Hand 'die Deislerin' genannt. Die konnten mich nicht mehr ertragen."

Zudem habe er sich vom damaligen Trainer Felix Magath missverstanden gefühlt: "Mein Eindruck war, dass Magaths Philosophie damals auf Angst gründete, auf Macht. Er misstraute den Spielern. Er schürte Angst, damit sie sich den Arsch aufrissen. Das habe ich aber sowieso gemacht."

Zu seiner Zeit bei den Bayern zitiert das Magazin "Stern" aus der Deisler-Biografie: "In der Bayern-Kabine Mensch zu sein ist gar nicht so leicht. Du schaffst es nur, wenn du dir sagst, ich bin der Größte. Du baust dich auf und unterdrückst deine Gefühle. Du definierst dich über dein Ego und deinen Stolz. Ich habe mich nie über die Leute gestellt, deshalb haben mich die Menschen auch gemocht, aber deshalb bekam ich Probleme."