Als Sebastian Sylvester das Ziel seiner Träume erreicht hatte, war es seinem Trainer Karsten Röwer vorbehalten, das passendste Fazit zu ziehen.

Neubrandenburg. "Wenn es einer verdient hat, Weltmeister zu sein", sprach der Boxlehrer, nachdem sich sein Schützling durch einen 2:1-Punktsieg über Giovanni Lorenzo (28, Dominikanische Republik) den von seinem Stallkollegen Arthur Abraham niedergelegten IBF-WM-Titel im Mittelgewicht gesichert hatte, "dann ist es Sebastian. Er ordnet alles dem Sport unter und hat so lange so hart gearbeitet, um sich diesen Traum zu erfüllen!" Tatsächlich ist der Weg, den der 29 Jahre alte Greifswalder in der Nacht zu Sonntag vor 5000 Fans im ausverkauften Jahnsportforum zu Ende ging, ein beeindruckender. Denn er erzählt die Geschichte von einem, der nie den Glauben daran aufgab, seinen Traum zu Realität werden zu lassen.

Sylvester war nie mit großem Talent gesegnet. Seine Stärke war der Wille, der ihn zunächst bis zum EM-Titel führte. Seine erste WM-Chance vergab er im vergangenen November gegen WBA-Weltmeister Felix Sturm aus dem Hamburger Universum-Stall. Danach trennte er sich von seinem langjährigen Coach Hartmut Schröder und dem Berliner Wiking-Team und wechselte zum Sauerland-Stall und Röwer. Es war der Schritt ins Glück.

Gegen Lorenzo zeigte Sylvester eine beeindruckende Fortentwicklung. Er bewegte sich viel flüssiger im Oberkörper und auf den Beinen als gegen Sturm und bot dem geschmeidigen Athleten aus der Karibik kaum Trefferfläche. Zudem verstand er es perfekt, seine größte Stärke, die scharf und schnell geschlagene gerade Führhand, immer wieder einzubringen. Was Sylvester aufführte, war ein Lehrstück dafür, wie ein Arbeiter einen Techniker schlecht aussehen lassen kann. Dass nach zwölf Runden Punktrichterin Valerie Dorsett (USA) 116:111 für Lorenzo wertete, während Alfred Asaro (Frankreich/115:113) und Pawel Kardyni (Polen/116:112) Sylvester vorn hatten, unterstrich einmal mehr die unterschiedliche Wahrnehmung, die Europäer und Nordamerikaner von Boxkämpfen haben. Während Dorsett die Aktivität höher bewertete, achteten ihre Kollegen mehr auf Anzahl und Genauigkeit der Treffer. Insofern war das Urteil korrekt.

Sylvester war das egal. "Ich bin Weltmeister, das ist alles, was mich interessiert", sagte er. Trotz des Triumphes dachte der neue Champion nur an seine Verlobte Diana und die gemeinsame Tochter Lea-Chantal, die er während der zwölf Wochen Vorbereitung nur sporadisch sehen konnte. "Die nächsten Wochen gehöre ich nur der Familie!"

Wie es sportlich für Sylvester weitergeht, konnte Sauerland-Geschäftsführer Chris Meyer noch nicht sagen. "Er muss innerhalb von sechs Monaten die erste Pflichtverteidigung machen. Vielleicht schaffen wir vorher noch eine freiwillige", so Meyer. Ob er sich dank der Weiterentwicklung ein Rematch mit Sturm vorstellen könne, wurde Sylvester gefragt. Die Antwort beschreibt ihn als Menschen perfekt. "Interessant wäre das schon, aber was soll ich mit zwei Titeln? Ich muss mich erst mal an einen gewöhnen."