Nach Doppelsieg Aus im Einzel-Halbfinale. Wu holt den Titel bei den Damen.

Stuttgart. Als Timo Bolls Traum vom goldenen Dreierpack geplatzt war, herrschte in der Stuttgarter Tischtennis-Arena Totenstille. Nur mühselig spendeten die 6000 Zuschauer ihrem Liebling nach dem 3:4 im EM-Halbfinale gegen Michael Maze aufmunternden Applaus. Statt dreimal Gold wie 2007 und 2008 packte Boll im Ländle "nur" das Double aus Doppel und Team, im Einzel gab es Bronze. Kurz nach Bolls Aus versetzte Jiaduo Wu die Fans mit ihrem überraschenden Gold in einen Freudentaumel.

"Maze hat mich in den ersten drei Sätzen förmlich überrollt", sagte Boll. Vor allem in seinem sonst so starken kurzen Spiel. Boll sah sich Maze in der Anfangsphase teilweise hilflos ausgeliefert, traf kaum einen Ball: "Maze ist mental unheimlich stark, der schnappt da sofort zu."

Dass der 28-jährige Boll seinen Schläger dennoch zufrieden einpackte, war seiner famosen Aufholjagd geschuldet. Sein dänischer Gegner, der im Endspiel Österreichs früheren Weltmeister Werner Schlager 4:1 demontierte, lag bereits 3:0 in Führung, ehe der völlig von der Rolle wirkende Boll auf Touren kam. "Ich bin eben eine Kampfsau", sagte Boll. Vor der prächtigen Kulisse spielte sich der Ausnahmekönner in einen Rausch und glich die Partie noch aus. Dass es am Ende gegen Maze wie schon im Teamfinale doch nicht reichte, war auch leichten Fehlern Bolls geschuldet. Ausgerechnet beim Stand von 5:9 im siebten Satz setzte Boll seinen Aufschlag ins Netz. Da habe er das Spiel aber nicht verloren, meinte der Linkshänder.

Bolls Laune hob seine offenbar wiederhergestellte Physis. "Mein Rücken hat gehalten. Das ist die beste Erkenntnis des Turniers", sagte der zehnmalige Europameister. Die Leidensgeschichte des neuen Europameisters sollte Boll Hoffnung geben. Maze litt lange unter körperlichen Problemen, vor einigen Jahren plagte ihn ein Bandscheibenvorfall.

Noch 24 Stunden vor dem unerwarteten Aus hatte Boll wieder einmal Tischtennisgeschichte geschrieben. Mit Christian Süß gewann er den Titel als erstes Doppel zum dritten Mal in Folge. Im Finale hieß es 4:2 gegen die Polen Wang Zeng Yi/Lucjan Blasczyk.

Jiaduo Wu sicherte sich in einem überragenden Finale ebenfalls die Goldmedaille. Nach dem 4:0 gegen Margaryta Pesozka aus der Ukraine trug Präsident Thomas Weikert die gebürtige Chinesin auf Händen durch die Halle, aus den Boxen schallte "Time of my life", und die Fans applaudierten minutenlang. "Ich fühle mich wie in einem Traum", sagte Wu einen Tag nach ihrem 32. Geburtstag. Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig hatte bereits zuvor Bilanz gezogen. "Wir haben in fünf von sechs Wettbewerben eine Medaille gewonnen. Das ist einfach hervorragend", sagte der Kölner. Bei den Zuschauern war das Turnier ebenfalls ein voller Erfolg. 46 000 der 49 000 Karten wurden verkauft.

Die glänzende Goldmedaille im Damendoppel sicherte sich das rumänische Duo Elizabeta Samara/Daniela Dodean. Die deutsche Meisterinnen Zhenqi Barthel und Kristin Silbereisen gewannen Bronze.