Meistertrainer Alfred Gislason über die Stärken des HSV Hamburg, das große Selbstvertrauen der Kieler und den fehlenden Glamour seines Klubs.

Abendblatt: Herr Gislason, am 1. September spielt Ihre Mannschaft im Super Cup gegen Vizemeister HSV Hamburg. Was erwarten Sie sich von diesem ersten Aufeinandertreffen?

Gislason: Der HSV ist der ewige Rivale der vergangenen Jahre. Wir freuen uns, Hamburg als ersten Prüfstein zu haben. Trotz der generellen Rivalität gibt es kein Problem zwischen den Spielern, und es ist immer das Schönste, auf die Besten zu treffen.

Abendblatt: Was sind die größten Stärken des HSV?

Gislason: Der HSV hat eine großartige Mannschaft, die sich in den vergangenen Jahren personell immer verbessert hat. In der vergangenen Saison hatten die Hamburger unheimliches Pech durch die Krebserkrankung von Spielmacher Oleg Velyky. Aber er scheint auf einem guten Weg zu sein, und die Mannschaft ist inzwischen unheimlich gut besetzt, spielt schon lange guten Handball. Deshalb zählt der HSV zu den Favoriten auf den Titel.

Abendblatt: Auch, obwohl Hamburgs wichtiger Kreis- und Abwehrspieler Bertrand Gille viele Monate verletzungsbedingt ausfällt?

Gislason: Bertrand Gille ist einer der besten Handballer der letzten Jahre gewesen. Für den HSV ist es natürlich hart, ihn einige Monate ersetzen zu müssen. Aber einen viel besseren Ersatz als Igor Vori konnten die Hamburger nicht verpflichten. Er ist sowohl in Abwehr als auch in Angriff ein absoluter Weltklassespieler und wird der Mannschaft sicherlich sehr große Vorteile bringen.

Abendblatt: Welche Erkenntnisse ziehen Sie bislang aus dem Verlauf der Saisonvorbereitung?

Gislason: Meine Mannschaft hat bis jetzt wirklich überragend gearbeitet. Allerdings haben wir noch viele Probleme, was leichte Verletzungen und angeschlagene Leute anbelangt. Doch das ist normal in dieser Phase.

Abendblatt: Hat der THW nach dem Weggang von Nikola Karabatic (Montpellier) und dem Karriereende Stefan Lövgrens auf der Spielmacher-Position derzeit die meisten Sorgen?

Gislason: Es ist sicherlich das größte Problem, das wir haben. Zumal beide vorgesehenen Spielmacher angeschlagen sind. Börge Lund hatte im Juni eine OP am Knie, Aron Palmarsson am Anfang des Jahres. Er ist gerade ins Training eingestiegen, hatte sich kürzlich eine Oberschenkenzerrung zugezogen.

Abendblatt: Der THW Kiel buhlt um den französischen Rückraumspieler Daniel Narcisse. Wechselt er an die Förde?

Gislason: Ich hoffe es.

Abendblatt: Was unterscheidet den THW von anderen Vereinen, bei denen Sie tätig waren?

Gislason: Der THW ist ein nationales Phänomen, das sehr eng mit der Region Kiel zusammenhängt. Handball ist dort extrem wichtig für die Menschen. Rund um den THW gibt es eine unglaubliche Begeisterung in der Bevölkerung. Die Tradition und die gewachsenen Strukturen sind wichtige Faktoren dafür, und natürlich auch der Umstand, dass man der Mannschaft ein solch attraktives Umfeld bieten kann.

Abendblatt: Ihr Team wirkt fast immer über alle Zweifel erhaben, lässt sich selten aus der Ruhe bringen. Kann man diese Souveränität erlernen?

Gislason: Das ist eine Sache, die seit langer Zeit gewachsen ist. Der THW hatte Glück, in seiner Vergangenheit immer wieder entscheidende Charaktere ins Team geholt zu haben. Das Selbstvertrauen hat sich langfristig enwickelt.

Abendblatt: Ist Arroganz auf dem Feld der Schlüssel zum Erfolg?

Gislason: Ich würde mit dem Auftreten des THW nicht das Wort Arroganz verbinden. Es ist einfach eine Art Selbstbewusstsein. Die Spieler wissen, dass sie ein gutes Team bilden und dass sie selbst gute Handballer sind.

Abendblatt: Könnte man sagen, dass der THW so etwas wie der FC Bayern München des deutschen Handballs ist?

Gislason: Von der Leistung her bestimmt, vom Glamour her nicht. Es ist auch gut so, dass man darauf verzichten kann. Der THW hat sich seinen Status in den letzten Jahrzehnten ausschließlich durch Leistung und vorbildliches Auftreten herausgearbeitet.

Abendblatt: Wo sehen Sie zu diesem Zeitpunkt noch Steigerungspotential im Hinblick auf die neue Saison?

Gislason: Wenn man in der Vorbereitung ist, sieht man überall Steigerungspotential. Den Bereich der Ausdauer haben wir erarbeitet, aber wir müssen täglich an Schnelligkeit und Taktik arbeiten. Das ist ein Prozess, der quasi bis zum Saisonende weitergeht.

Abendblatt: Belasten Sie die Bestechungsvorwürfe gegen Ex-Geschäftsführer Uwe Schwenker eigentlich in Ihrer Arbeitsweise?

Gislason: Das Thema berührt mich überhaupt nicht. Es ist bislang nichts Konkretes bei den Ermittlungen herausgekommen. Es ist nur schade, dass diese Sache so aufgebauscht wurde und dem Handball und seinem Image so geschadet hat. Die Sportart hat das definitiv nicht verdient.

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