Ein paar Begriffe hatten die HSV-Handballer für diese Saison auf den Index gesetzt. Wende ist so ein Wort, das man nicht mehr hören wollte, wenn es gegen einen kleinen Verein geht. Oder Zittersieg.

Hamburg. Schon gar nicht Verletzung. Dinge, bei denen die Hamburger viel mehr Erfahrung haben, als ihnen lieb ist. Gestern Abend nun startete der Vizemeister beim TV Großwallstadt in die neue Spielzeit, einem ambitionierten Außenseiter in der Bundesliga. Aber wenn man den 27:24-(12:13)-Sieg beschreiben will, dann kommt man um die Begriffe Wende, Zittersieg und Verletzung nicht herum.

Freilich: Es gibt ein paar kleine Unterschiede. In der Vorsaison hatte der HSV durch eine 29:32-Niederlage seine Meisterschaftschancen bei ebenjenem TV Großwallstadt verworfen. "Das schwirrte offenbar noch im Kopf herum", stellte der sportliche Leiter Christian Fitzek später fest. Diesmal hielten sich die Hamburger schadlos, was allemal als Fortschritt zu werten ist. Sie knüpften in der entscheidenden Phase auch an die launige Vorstellung vom vergangenen Dienstag an, als sie den deutschen Meister und Pokalsieger THW Kiel im Supercup mit 35:28 demütigten. Aber dazu bedurfte es eben erst einer Wende.

Zunächst waren es nämlich die Gastgeber, die in Aschaffenburg die spielerischen Akzente setzten. Der HSV mühte sich seinerseits, gegen die kompakte Deckung eine Lücke zu finden, und wenn er mal eine gefunden zu haben glaubte, dann war es oft gar keine, weil da noch der erstklassige TVG-Keeper Mattias Andersson noch im Weg stand.

"Wir haben uns lange das Leben sehr schwer gemacht und viele Chancen vergeben. Außerdem hat die Abstimmung nicht gut funktioniert", kritisierte Trainer Martin Schwalb. Er hatte früh den an der Schulter verletzten Blazenko Lackovic durch Neuzugang Domagoj Duvnjak ersetzen müssen, aber aus dieser Personalnot wurde im Lauf des Spiels alsbald eine Tugend. Die individuelle Klasse des Kroaten, im Zusammenspiel mit der seines Landsmanns Igor Vori am Kreis und von Rechtsaußen Hans Lindberg ließ den HSV nach dem Wechsel im Nu auf 19:15 (41.) davonziehen. Das Spiel wurde den wacker kämpfenden Großwallstädtern nun schlicht zu schnell. Und an Johannes Bitter im Hamburger Tor war plötzlich kaum ein Vorbeikommen mehr.

Dann aber prallte der Nationalkeeper so unglücklich mit Oliver Köhrmann zusammen, dass er mit einer Verletzung am linken Schienbein vom Feld musste. Die erste Diagnose war zugleich eine Entwarnung: Bitter kam mit einer schweren Prellung davon und dürfte am Sonnabend bei der Heimpremiere gegen Melsungen wieder mitwirken können.

Die Mannschaft ließ sich davon nicht aus dem Tritt bringen, sie kombinierte munter weiter und führte zehn Minuten vor Schluss mit 25:17. Dann passierte, was Fitzek "den Klassiker" nennt: Der HSV nahm das Tempo heraus, Großwallstadt rauschte heran, bis auf 24:26 (57.). Schon durfte wieder gezittert werden. "Das kann auch in die Hose gehen", weiß Fitzek. Ging es aber nicht. Das sollte Mut machen.

Tore, Großwallstadt: Tiedtke 5, Kneer 5, Weinhold 5, Larsson 3, Kunz 3 (3 Siebenmeter), Köhrmann 2 (1), Kossler 1; Hamburg: Lindberg 9 (3 Siebenmeter), Vori 5, M. Lijewski 4, Duvnjak 4, G. Gille 2, Jansen 2, K. Lijewski 1. Schiedsrichter: Prang/Reichl (Bergheim/Köln). Zuschauer: 4000. Zeitstrafen: 6; 4. Rote Karte: G. Gille (Hamburg) wegen groben Foulspiels (60.).