Der Schlussmann will noch lange in Hamburg spielen und macht sich für Bernd Wehmeyer als neuen Sportchef stark.

Hamburg. Abendblatt : Herr Rost, Sie wirken erholt.

Frank Rost: Klar. Die Pause war genau richtig.

Abendblatt: In Ihrem Alter…

Rost (lacht): Was soll das denn heißen?

Abendblatt: Ich wollte natürlich sagen: In Ihrem Alter kennen Sie Ihren Körper ja auch am besten…

Rost (lacht noch immer): Ist schon klar, ich glaube alles…

Abendblatt: Wunderbar! Glauben Sie daran, in Hamburg Ihre Karriere zu beenden?

Rost: Ja, der Gedanke ist mir sympathisch. Wenn ich hier weiter gewollt bin, bleibe ich gern. Ich möchte gern nach Werder und Schalke auch hier mehr als 100 Spiele für den verein absolvieren. Momentan sind es 88 – und am liebsten will ich hier noch meine Bestmarke von 130 Spielen bei einem Verein brechen.

Und dieser Job hier ist schon einer der besten. Ich werde mich allerdings nicht mit Worten aufdrängen. Willst du was gelten, mache dich selten, sagt man doch. Aber ich muss eh erstmal abwarten, wer hier mein Ansprechpartner wird.

Abendblatt: Sie meinen den neuen Sportchef. Da kristallisiert sich mit dem Ex-Bayern-Profi Roman Grill ein Favorit heraus.

Rost: Ich befürchte etwas, die Personalie Grill wird zu unbequemen Diskussionen führen. Sie ist zumindest überraschend.

Abendblatt: Weil Herr Grill Piotr Trochowskis Berater ist?

Rost: Auch. Das wird automatisch Thema, auch wenn Trochowski gar nichts dafür kann.

Abendblatt: Herr Grill wird sein Amt als Spielerberater ablegen.

Rost: Das wäre eine sehr mutige Entscheidung. Ich jedenfalls wüßte an seiner Stelle nicht, ob ich für einen derart brisanten Job mein gut floriendes Geschäft einfach so aufgeben würde. Wahrscheinlich würde ich mir die Option zum Zurückkehren offenhalten.

Abendblatt: Ehrliche Worte der Marke Frank Rost

Rost: Warum nicht. Ich werde nie massenkompatibel sein. Wer es allen recht machen will, der macht meines Erachtens einen großen Fehler.

Abendblatt: Apropos Fehler, Sie sind mit der Wahl des Vorstandes und des Aufsichtsrates nicht zufrieden?

Rost: Ich bin nicht derjenige, der das zu entscheiden hat. Grundsätzlich bin ich der gleichen Meinung wie „uns Uwe“, der Bernd Wehmeyer als Favoriten für die Position benannt hat. Ich finde auch, dass manchmal die naheliegendste Lösung durchaus sinnvoll sein kann.

Es ist sehr schade, dass er wohl keine Rolle mehr in den Überlegungen des Personalrats spielt und daraufhin seine Bewerbung zurückgezogen hat. Bei der Mannschaft genießt Herr Wehmeyer ein sehr hohes Ansehen. Als gestandener Bundesligaprofi des HSV bringt er die besten Vorraussetzungen mit. Und dass das eine gute Basis ist, um ein erfolgreicher Sportchefs zu werden haben Leute wie Rudi Assau-er, Klaus Allofs, Horst Heldt und natürlich Uli Hoeneß – um nur einige zu nennen – hinlänglich bewiesen. Es werden andere Kriterien ausschlaggebend gewesen sein. Aber ich vertraue unserem Vorstand und dem Aufsichtsrat hier die beste Entscheidung für den Verein getroffen zu haben.

Abendblatt: Ist der Sportchef posten einer, auf dem Sie nach Ihrem Karriereende gern einmal sitzen wollen?

Rost: Das weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, dass ich bestimmt im Fußball-Metier bleiben werde. Da ich aber aktuell noch auf dem Platz sehr wohl fühle, mache ich mir darüber noch keine konkreten Gedanken.

Abendblatt: Und das momentan sehr erfolgreich. Hätten Sie nach der turbulenten Sommerpause mit einem derartigen Saisonstart gerechnet?

Rost: Warum nicht? Wir kümmern uns um den Fußball, den Rest machen die Vorstände und der Aufsichtsrat. Das reicht.

Abendblatt: Uli Hoeneß hat den HSV-Aufsichtsrat für seine auf dringliche Öffentlichkeit gerügt.

Rost: Was soll ich dazu sagen? Ist ja eigentlich nicht seine Baustelle. Der Aufsichtsrat ist das höchste Gremium und darf sich öffentlich äußern. Allerdings bin ich mir sicher, dass Uli Hoeneß weiß, wie ein Verein geführt wird.

Abendblatt: Was gehört für Sie zwingend dazu?

Rost: Konstanz.

Abendblatt: Damit kann der HSV bei den Trainern nicht dienen, nachdem sie seit Januar 2007 nun schon den dritten Trainer miterleben.

Rost: Dazu kann ich nichts sagen. Außer, dass es schon bemerkenswert ist, dass beide von sich aus gegangen sind.

Abendblatt: Nicht allen werden im Nachhinein gute Zeugnisse ausgestellt.

Rost: Von mir schon. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum da nachgetreten wurde. Das wirft immer ein schlechtes Bild auf den Verein.

Abendblatt: Sie meinen die Diskussion über die zu kurz geplante Vorbereitung?

Rost: Auch. Unser neuer Trainer Bruno Labbadia wusste doch um die Planung und hat sie sehr gut gestaltet. Und dass ein Joris Mathijsen beispielsweise nach gefühlten 70 Saisonspielen 2008/ 2009 mal drei Wochen Urlaub braucht ist auch mehr als klar. Ansonsten bekommst du für ihn irgendwann nur noch die Abwrackprämie. Und jetzt haben wir als Mannschaft mit der kürzesten Vorbereitung auch die Mannschaft mit der längsten Vorbereitung geschlagen, den VfL Wolfsburg. Insofern erledigen sich einige Diskussionen von selbst.

Abendblatt: Sie gehen mit dem Fußball an sich momentan sehr kritisch um. Oder täuscht der Eindruck?

Rost: Nein, das stimmt. Der Fußball entwickelt sich meiner Meinung nach auch weg von dem, was ihn jahrzehntelang ausgezeichnet hat. Fans werden heute doch schon als Kunden bezeichnet. Kunde ist man im Supermarkt, nicht in der Fan-Kurve.

Abendblatt: Sind Sie ein romantischer Fußballtraditionalist?

Rost: Wenn Sie es so formulieren wollen, ja. Die totale Vermarktung geht mir ab. Ich kaufe meine Brötchen auch nicht im Hightech-Supermarkt. Ich hole meine Batterien, die Getränke und was ich sonst so brauche fürs Leben lieber im kleinen Laden um die Ecke. Dort kennt man mich, dort herrscht noch ein persönliches Miteinander.

Abendblatt: Aber das kostet meist einen Aufpreis. Und in Zeiten der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit ist das für einen Fußball-Millionär sicher leichter als für den geschassten Arbeiter.

Rost: Klar, das weiß ich. Und natürlich gibt es das Totschlagargument, dass wir Profis gerade durch die Komplettvermarktung unsere hohen Gehälter kassieren können. Aber wir sind auch nicht mehr als moderne Gladiatoren. Dabei sollte Fußball Emotion bleiben und darf nicht nur noch Wirtschaft sein. Was soll mir beispielsweise ein Assessment-Center im Fußball bringen?

Abendblatt: So eines hat der HSV bei der Sportchefsuche eingesetzt…

Rost: …ja, ich weiß. Aber Fußball ist und bleibt Emotion, Bauchgefühl und ist nicht planbar wie ein normales Unternehmen. Ich glaube nicht, dass man die Methoden aus der Wirtschaft immer 1:1 übernehmen sollte.

Abendblatt: Aber Sie studieren parallel Betriebswirtschafts-lehre und wollen im Fußball bleiben. Als ganz ohne geht es dann auch nicht, oder?

Rost: Nein, jeder muss wissen, wie große Unternehmen aufgebaut sind. Aber ein Sportchef beispielsweise braucht Einfühlvermögen, um einen 19- Jährigen beispielsweise, der abgeht wie eine Rakete, gut beraten zu können. Und er muss an die Mannschaft rankommen – diese soziale Komponente kannst Du nicht erlernen. Die bekommt man zum Beispiel wenn man selbst jahrelang Bundesligaprofi war und eigene Erfahrungen sammeln konnte.

Mir ist nicht ganz klar wie man dieses Profil bei einem Test in einem Assessment- Center herausarbeiten kann.

Abendblatt: Dafür ist die Liga spannender denn je geworden. Der FC Bayern ist nicht mehr unumstrittener Titelfavorit.

Rost: Das stimmt. Und deshalb ist unsere Liga auch so interessant. Während dir in Italien jeder Kioskbesitzer schon vor dem Spiel das Ergebnis sagen kann, haben Spanien zwei und England vier Topteams, hinter denen sich der Rest versammelt. Bei uns ist es ausgeglichener. Deshalb ist die Bundesliga ein tolles Ereignis

Abendblatt: Wie sehen Sie den Absturz des FC Bayern?

Rost: Absturz, soweit gehe ich nicht. Aber Jupp Heynckes hat es richtig gesagt. Man kann nicht sieben wichtige Stammkräfte abgeben und erwarten, dass es gleich gut weitergeht. Zudem sind die Mannschaften dahinter ja auch nicht tatenlos unterwegs…

Abendblatt: Wie Ihr HSV. Vor allem mit so spektakulären Neuzugängen wie Ze Roberto oder auch Eljero Elia lässt sich die Lücke zum großen Rekordmeister langsam schließen, oder?

Rost: Klar trägt eine derartige Steigerung der mannschaftli-chen Qualität dazu bei. Aber wir sollten nicht alles hochjubeln, bevor die lange Saison gespielt ist. Hier in Hamburg ist es oft, dass man von einem Extrem ins andere schlägt. Nach Freiburg waren wir Aussätzige, nach Dortmund und Wolfsburg feiert man uns als kommenden Meister. Beides ist zu extrem. Und ungesund.

Abendblatt: Sie drücken die Euphoriebremse?

Rost: Nein, ich habe selbst große Ziele und sehe uns auf ei-nem guten Weg. Aber ich muss verantwortungsvoll und kontrolliert damit umgehen. Ich darf nicht laut von Meisterschaft sprechen, denn das wollen und können viele errei-chen. Klar ist, die Champions League sollte es für uns werden.

Abendblatt: Dabei hätte Rafael van der Vaart helfen können und wollen…

Rost: Ich habe noch Kontakt zu ihm. Er hätte uns sehr helfen können, ist ein guter Typ. Ich schätze ihn sehr.

Abendblatt: Hätte der HSV das Geld in ihn investieren sollen?

Rost: Das ist nicht mein Thema.

Abendblatt: Was sagt Rafael van der Vaart Ihnen denn?

Rost: Rafael steckt in einer ganz schweren Phase, ist als großer Spieler mal eben von 100 auf null gedrückt worden. Womit wir wieder beim Thema Extreme sind. Extrem ist nie gut. Man sollte immer realitätsnah urteilen.

Abendblatt: Sie scheinen eher rational veranlagt. Oder gibt es etwas nicht greifbares, woran Sie glauben?

Rost: Sie meinen Gott? Nein, daran glaube ich nicht. Ich glaube aber an Gerechtigkeit. Irgendwann wirst du belohnt, wenn du immer ehrlich warst. Religion hilft einem Großteil der Menschheit, von daher ist das ganz sicher eine gute Sache. Religion wird aber leider auch immer wieder von Fanatikern mißbraucht Merken Sie, wir kommen immer wieder zum Schluss, dass die gesunde Mitte entscheidend ist. Manchmal ist Geduld, Ruhe und Weitsicht das Mittel zum Erfolg

Abendblatt: Dafür braucht man gerade im Tagesgeschäft Fußball aber eine dicke Haut. Und man muss ziemlich entspannt sein…

Rost (lacht): . . . vielleicht bin ich deshalb ja momentan auch so entspannt ….