Am Sonntagmorgen war Zsolt Erdei schon früh auf den Beinen, um im Garten seines Hauses in Budapest Bäume umzupflanzen. Schlaflosigkeit hatte den 35 Jahre alten Halbschwergewichts-Boxweltmeister aus dem Hamburger Universum-Stall aus dem Bett getrieben.

Budapest/Hamburg. Verursacht wurde diese durch die Szenen, die Erdei wenige Stunden zuvor in der Syma-Arena in Ungarns Hauptstadt hatte sehen müssen. Sein Stallkollege und Freund Karoly Balzsay (30) hatte bei der Verteidigung seines WBO-WM-Titels im Supermittelgewicht völlig überraschend die erste Niederlage der Karriere hinnehmen müssen.

Bis zur neunten Runde hatte der Ungar, angetrieben von 5000 frenetischen Fans, gegen den Magdeburger Robert Stieglitz nach Punkten in Führung gelegen. Dann öffnete sich nach einem Treffer ein Cut am Kopf Balzsays, der dadurch die Kontrolle verlor. In Runde zehn wankte der völlig ausgepumpte Champion nach schweren Treffern derart durch den Ring, dass Trainer Fritz Sdunek ihn zur elften Runde nicht mehr antreten ließ. "Karoly hatte sich total verausgabt und konnte nicht mehr", erklärte Sdunek sein Handeln.

Stieglitz, der zwar beim Magdeburger Promoter Ulf Steinforth unter Vertrag steht, sich für die WM-Chance jedoch für mehrere Kämpfe an Universum binden musste, konnte sein Glück kaum fassen. "Ich fühle mich wie im Traum", sagte der 28-Jährige, "ich glaube, der Gegner hat mich einfach unterschätzt." Erdei hatte eine andere Erklärung: "Karoly ist mit dem Druck, bei seiner ersten Titelverteidigung in der Heimat glänzen zu wollen, nicht klar gekommen."

Erdei selbst hatte vor der bösen Überraschung für Balzsay seinen möglichen nächsten Gegner in Augenschein nehmen können. Der Schweriner Jürgen Brähmer (30) sicherte sich durch einen technischen K.-o.-Sieg in Runde elf über seinen polnischen Stallkollegen Aleksy Kuziemski den Interims-Titel der WBO und wäre nun offizieller Herausforderer für Erdei. Als möglicher Kampftermin wurde bereits der 19. Dezember ins Gespräch gebracht, allerdings hoffen beide Lager, nicht gegeneinander antreten zu müssen. "Jürgen und ich sind Freunde. Es gab zuletzt genug Stallduelle. Ich würde eine Titelvereinigung mit WBA-Weltmeister Gabriel Campillo vorziehen", sagt Erdei. Brähmer, der ebenfalls auf ein Duell mit Campillo hofft, zeigte sich trotz des letztlich überzeugenden Sieges nicht zufrieden. "Ich habe viel zu verbessern und bin noch nicht da, wo ich hinwill", sagte er. Sein nächster Kampf findet vor dem Amtsgericht Schwerin statt. Dort muss er sich am 10. September wegen angeblicher Körperverletzung verantworten.