Auf der Tanzfläche der Berliner Nobel-Disco Goya machten die Bronze-Girls genauso eine gute Figur wie zuvor auf der Laufbahn. Die deutschen Sprinterinnen ließen es nach ihrem Medaillen-Coup mit Platz drei über 4x100 Meter richtig krachen.

Berlin. "Wir sind nicht ins Bett gekommen", verriet Verena Sailer am Morgen danach.

Noch immer hatte die 23 Jahre alte Sailer Schmerzen. Ihr spektakulärer Sturz im Ziel hatte ihr Schürfwunden am Arm, an der Hüfte und am Oberschenkel zugefügt, drückte aber gleichzeitig aus, wie groß der Siegeswillen im deutschen Team war. "Ich habe im Ziel die Arme hochgerissen, da konnte ich mich nicht mehr halten, und schon bin ich gestürzt", sagte Sailer.

"Es war ein riesiger Tag", meinte Marion Wagner, die das deutsche Team als Startläuferin angeführt hatte. "Diese Stimmung im Stadion vor dem Wettkampf, das war großartig. Schon als wir angekündigt wurden, ging ein Raunen durchs Stadion", sagte Wagner. Die 31-Jährige war bereits 2001 beim letzten Staffelsieg der Deutschen bei der WM in Edmonton dabei. Neben Sailer und Wagner gehörten noch Anne Möllinger (Mannheim) und Cathleen Tschirch (Leverkusen) zum Quartett.

Ihren Triumphzug auf den Sprintstrecken setzten die Jamaikanerinnen fort, die mit 100-m-Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser in 42,06 erstmals seit 1991 wieder Gold holten und sich damit die vierte von sechs möglichen Sprint-Medaillen der WM von Berlin sicherten. Silber ging an die Bahamas (42,29).

"Eine Medaille - das ist der Wahnsinn. Dafür lege ich mich gern auf die Schnauze. Ich habe gesehen, dass ich Dritte bin und mir nur gesagt: 'Renn, renn'. Das habe ich getan, bis ich auf dem Boden lag", hatte Sailer direkt nach dem Lauf gemeint. Und Wagner erklärte: "Die Entscheidung, mich an den Start zu stellen war richtig. Wir hatten eine einmalige Chance, die haben wir genutzt."

Der jamaikanische Erfolg war zugleich eine riesige Pleite für die USA, die wie bei Olympia in Peking ihre Staffel schon im Vorlauf verloren. Denn bei den US-Frauen verletzte sich beim zweiten Wechsel Muna Lee. Und so schied der Titelverteidiger aus. Lee, Staffel-Weltmeisterin von Osaka, erlitt nach einer ersten Diagnose eine Zerrung im rechten Oberschenkel. Die USA hatten vor zwei Wochen in Cottbus in 41,58 Sekunden noch die Jahres-Weltbestleistung aufgestellt und sich dem Uralt-Weltrekord der DDR (41,37) bis auf 21 Hundertstel genähert.

Immerhin konnte das gedemütigte US-Team seine Dominanz auf der Stadionrunde eindrucksvoll unter Beweis stellen. Durch die beiden überlegen herausgelaufenen Siege der 4x400-m-Staffeln jeweils in Jahres-Weltbestzeit sicherten sich die USA WM-Gold Nummer neun und zehn und sind damit zum neunten Mal in der WM-Geschichte die Nummer eins im Medaillenspiegel.

Zuerst führte Weltmeisterin Sanya Richards die Frauen als Schlussläuferin in 3:17,83 Minuten zur erfolgreichen Titelverteidigung vor Jamaika (3:21,15) und Russland (3:21,64). Dann stürmten die US-Boys um Einzel-Champion LaShawn Merritt und Silber-Gewinner Jeremy Wariner in 2:57,86 Minuten zum dritten Triumph in Serie bei Welttitelkämpfen. Dies war ihnen zwischen 1993 und 1997 bereits einmal gelungen. Silber holte Großbritannien (3:00,53), Bronze ging an Australien (3:00,90). Die deutsche Frauenstaffel verpasste es dagegen, ein letztes Highlight aus Sicht des Gastgebers zu setzen. Das Quartett mit Fabienne Kohlmann (Karlstadt), Sorina Nwachukwu (Leverkusen), Esther Cremer (Wattenscheid) und Claudia Hoffmann (Potsdam) belegte in 3:27,61 den fünften Rang. Die Männerstaffel war im Vorlauf gescheitert.