Das große Finale in Berlin, 70 000 Leichtathletikfans toben und lärmen. Eine Konkurrentin hat gerade den Weltrekord vorgelegt, und ihr bleibt nur noch dieser eine, letzte Versuch.

Hamburg. Christina Obergföll hat das alles schon einmal erlebt. Neulich in Kienbaum ist sie mit ihrer Mentaltrainerin Tanja Damaske dieses Szenario durchgegangen, das sie am 18. August erwarten könnte, dem Tag der Speerwurfentscheidung bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften. "Ich wollte wissen, was da auf mich einstürmen kann", erzählt die Offenburgerin. Sie weiß nun, was sie zu tun hat: "Im Tunnel bleiben und mein Ding machen."

Dann, ja dann wird ihr eine Medaille gehören, vielleicht sogar die goldene. Die anderen hat Obergföll ja schon, zwei silberne von den letzten beiden Weltmeisterschaften, eine bronzene von Olympia in Peking. Sie führt die Weltjahresbestenliste mit 68,59 Metern an vor Barbora Spotakova (68,23), der Weltmeisterin, Olympiasiegerin und Weltrekordhalterin aus Tschechien. Und sie weiß, "dass bei mir alles möglich ist". Auch, dass es in die Hose geht.

Das liegt an ihrer eigentümlichen Technik. Keine läuft so schnell an wie sie, aber keine verkantet auch den Speer so stark. Sie weiß, dass sich das nicht mehr ändern wird mit ihren bald 28 Jahren. Trotzdem ist sie im Dezember zu Olympiasieger Andreas Thorkildsen nach Oslo gereist und später noch gemeinsam ins Trainingslager nach Südafrika, um an den Grundlagen zu arbeiten. Auch der Norweger hatte öfter Probleme mit der Schulter, er hat sie mit Turnen in den Griff bekommen. Obergföll hat zweimal mittrainiert - "das war Hardcore".

Im März dann fuhr sie zu Miklos Nemeth nach Budapest. Der ungarische Olympiasieger hat einen Speer entwickelt, der neben Aluminium auch Carbonfasern enthält. Er kann weiter, aber auch kürzer fliegen als herkömmliche Modelle. "Es ist aber kein Wunderspeer", sagt Obergföll. Wenn sie sich gut fühle, werde sie ihn in Berlin einsetzen.

Sie will nichts unversucht lassen in diesem Jahr, das ihres werden soll. So hat sie es zu Hause an ihren Kühlschrank geschrieben: "2009 wird mein Jahr!" Warum? Christina Obergföll überlegt ein bisschen zu lange, dann antwortet sie mit einer Frage: "Weil ich es endlich mal verdient hätte?" Bei den letzten beiden Großereignissen trat sie als Topfavoritin an. In Peking nahm ihr Spotakova am Ende auch noch ihren Europarekord (70,20 m) ab. Aber in Berlin wird sie ein Heimspiel haben, 90 Freunde und Bekannte aus Offenburg und ihrem Heimatort Mahlberg hat sie ins Stadion eingeladen, und natürlich wird auch ihr Freund, Männer-Bundestrainer Boris Henry, da sein. Sie weiß, 2009 wird ihr Jahr sein. "Wenn nicht sportlich, dann privat."