Der 24 Jahre alte Brite über Formschwächen, Benzingeruch, Bezugspersonen und seinen Wunsch-Nachfolger.

Lewis Hamilton wartet in der Mercedes-Lounge des gerade eröffneten "Lindner"-Hotels direkt an der Rennstrecke des Nürburgrings. Das Abendblatt trifft auf einen gut gelaunten Weltmeister, dem man nicht anmerkt, dass er in dieser Saison den Teams von "Brawn GP" und "Red Bull Racing" hinterherfährt.

Abendblatt:

Mit welchem Gefühl gehen Sie in dieses Renn-Wochenende?

Lewis Hamilton:

Ich bin positiv angespannt, fast freudig erregt. Der Nürburgring ist eine super Strecke, besonders die historische Nordschleife finde ich phänomenal. Dann hoffe ich natürlich, dass wir sportlich einen Schritt nach vorne machen. Das Team arbeitet hart wie nie zuvor.

Abendblatt:

Was haben Sie die drei rennfreien Wochen gemacht?

Hamilton:

Ich war ziemlich beschäftigt, habe hart gearbeitet. Unter anderem an meiner Kondition. Unser australischer Fitness-Trainer Adam Costanzo hat mich ganz schön gequält - nein, das stimmt nicht: Ich konnte nicht genug bekommen. Am liebsten fahre ich Mountainbike, denn ich bin gerne an der frischen Luft. Na ja, und ein paar Tage habe ich mit meiner Freundin (Nicole Scherzinger, Sängerin der Pussycat Dolls, die Red.) verbracht. Das muss auch sein ...

Abendblatt:

Haben Sie in diesen Phasen, in denen, mal abgesehen vom Freien Training hier, wenig läuft, noch Spaß an Ihrem Job?

Hamilton:

Mir macht es unglaublichen Spaß, Auto zu fahren. Das ist für mich das Wichtigste.

Abendblatt:

Was macht für Sie den Reiz an der Formel 1 aus?

Hamilton:

Die besondere Power, die Geschwindigkeit, der spezielle Benzingeruch, die geilen Geräusche. All das finde ich total cool. Die Formel 1, der Rennsport überhaupt, gibt mir die Energie für mein Leben. Formel-1-Fahrer zu werden war mein Traum. Noch bin ich Weltmeister - das ist doch alles sehr positiv.

Abendblatt:

Aber wie kann man die verkorkste Saison noch retten?

Hamilton:

Wir wissen alle, dass wir ein super schlechtes Jahr haben. Meine Devise lautet: nie aufgeben. Deshalb möchte ich bis zum Saisonfinale noch mal gewinnen oder einen Podiumsplatz erreichen. Das wäre befriedigend.

Abendblatt:

Haben Sie sich ans Verlieren gewöhnt?

Hamilton:

Quatsch, daran kann man sich nicht gewöhnen. Ich bin viel zu ehrgeizig, um das auf Dauer auszuhalten. Ich will immer gewinnen!

Abendblatt:

Daran scheitern Sie aber in diesem Jahr ...

Hamilton:

Natürlich. Aber manchmal kann man auch mit einem achten Platz glücklich sein, wenn man ein fantastisches Rennen gefahren ist. Dann spüre ich auch ein Siegergefühl in mir. Natürlich kann man das mit den Erfolgen des letzten Jahres nicht vergleichen. Die fehlen mir schon sehr.

Abendblatt:

Hat man Ihnen die kritischen Worte über Ihren Silberpfeil übel genommen?

Hamilton:

Eigentlich nicht, es gab kaum negative Reaktionen. Ich finde, dass konstruktive Kritik erlaubt sein muss, ich war doch nicht bösartig. Aber man sollte doch die Menschen auf Missstände aufmerksam machen. Ich habe schon bei den Testfahrten im Februar in Barcelona gemerkt, dass das Auto schlecht ist. Noch mal: Mein Team arbeitet härter denn je zuvor - und es ist noch viel Arbeit vor uns!

Abendblatt:

Ron Dennis, seit 1981 Teamchef und Mitbesitzer von McLaren, trat im März zurück. Er war Ihr Entdecker und Förderer. Fehlt er Ihnen?

Hamilton:

Ja! Ich habe eine großartige Beziehung zu Ron und verehre ihn. Seit meinem zehnten Lebensjahr kenne ich ihn und bin mit ihm groß geworden. 14 gemeinsame Jahre sind eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass ich erst 24 bin. Ich sitze hier und fühle, dass ich für sein Team fahre. Für mich ist Ron immer noch der Chef, er hat alles aufgebaut. Er ist im Herzen immer bei mir. Wir haben regelmäßigen Kontakt.

Abendblatt:

Wie verhält sich der Mercedes-Boss Norbert Haug? Ist er ungeduldig, weil die Erfolge ausbleiben?

Hamilton:

Nein, ich habe selten einen so besonderen Menschen erlebt. Er ist immer offen für Vorschläge, hört zu, auch wenn er noch so beschäftigt ist. Mit ihm kann man auch viel lachen. Mittlerweile sind wir Freunde.

Abendblatt:

Belastet Sie die "Lügen-Affäre" um Falschaussagen zu einem Überholmanöver zu Saisonbeginn in Melbourne noch?

Hamilton:

Das ist doch Vergangenheit. Ich habe gelernt, dass das Leben weitergeht. Jeder macht Fehler, und jeder hat schlimme Zeiten im Leben, so wie ich auch. Schön fand ich die Unterstützung, die ich von meinen Fans bekommen habe. Natürlich habe ich daraus gelernt und bin ein Stück reifer geworden.

Abendblatt:

Wem gönnen Sie den WM-Titel: Jenson Button oder Sebastian Vettel?

Hamilton:

Also, ich bevorzuge wirklich keinen der beiden. Sebastian ist sehr talentiert, jung und hat viele gute Jahre vor sich. Man darf auch sein gutes Auto nicht vergessen. Jenson hat viele harte, erfolglose Jahre hinter sich, er verdient es mehr als jeder andere, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Auch er hat ein super Auto. Nicht zu vergessen: Er ist Brite wie ich. Das verbindet!

Abendblatt:

Sie bevorzugen doch keinen ...

Hamilton:

Na ja, vielleicht doch.