Eine tolle Vorstellung des Hamburgers reichte nicht zum Finaleinzug in Wimbledon. Halbfinal-Gegner Roger Federer war einfach zu stark. Der Schweizer trifft nun am Sonntag (15 Uhr, DSF live) im Endspiel auf Andy Roddick, der sich gegen Andy Murray durchsetzte.

London. In seinem grünen Rasenreich herrscht er seit Jahren wie der König des Tennis. Und dass Roger Federer keinen Spaß versteht und keine Gnade kennt, wenn er in Wimbledon auf seine Bühne schreitet, bekam Freitag auch sein alter Freund und Weggefährte Tommy Haas schmerzlich zu spüren: Der deutsche "Meister des Comebacks" spielte zwar mit der gleichen Power und Courage, die ihn auch in den ersten anderthalb Wochen seines weltweiten bestaunten Siegeszuges ausgezeichnet hatten, doch gegen den fünfmaligen Pokalgewinner auf der anderen Seite des Netzes reichte selbst eine letzte gute Vorstellung von Haas, der sich über 248 000 Euro "Schmerzensgeld" freuen durfte, beim 6:7 (3:7), 5:7, 3:6-Abschied im Halbfinale nicht aus.

Zum zweiten Mal in nur fünf Wochen beendete der unbeugsame Federer die Grand-Slam-Träume von Haas, der in Paris allerdings viel dichter vor einer Sensation gestanden hatte mit einer 2:0-Satzführung gegen den Schweizer Ästheten. Am Sonntag kann Federer nun wieder die Geschichtsbücher umschreiben - mit seinem 15. Grand-Slam-Titel und dem Sprung an die Spitze der ewigen Bestenliste vor Pete Sampras, der sich bisher mit Federer Platz eins geteilt hatte.

"Er hat die Big Points gemacht - und ich nicht. Das ist der Unterschied gewesen", sagte der geschlagene, aber keinesfalls schwer niedergeschlagene Haas, der sich hocherhobenen Hauptes vom Schauplatz London verabschieden konnte, als Mann, der sich nach der dritten Schulteroperation und der dritten Rückkehr in den Wanderzirkus nun wieder fest in der Weltspitze etabliert hatte. In der neuen Computer-Weltrangliste wird Haas am Montag wieder unter die Top 20 aufrücken und damit seine erfolgreiche Aufholjagd zu den Topleuten krönen - noch zu Saisonbeginn hatte der gebürtige Hamburger auf Platz 84 gestanden.

Wie vor einem Jahr für den tüchtigen Nordhessen Rainer Schüttler (gegen Rafael Nadal) war auch für Haas nun kurz vor Ultimo alles vorbei in Wimbledon - jene Märchenreise, die ihm auf seine alten Profitage den insgesamt größten Erfolg seiner Karriere beschert hatte, Niederlage gegen Federer hin oder her. "Was Tommy hier gezeigt hat, war sensationell", sagte Ex-Sieger Boris Becker, "dieses Wimbledon muss ihm Rückenwind für den Rest der Saison und die letzten Jahre seiner Karriere geben."

Federers Gegner in seinem siebten Wimbledon-Finale in Serie wird der Amerikaner Andy Roddick sein, der sich gegen den Briten Andy Murray in einem hart umkämpften Match mit 6:4, 4:6, 7:6 (9:7), 7:6 (7:5) durchsetzte. Für das Spiel hatten Schwarzhändler vor den Toren des All England Club bis zu 8000 Euro verlangt, für ein nun nicht mehr mögliches Finale zwischen Federer und Murray waren sogar Offerten bis zu 25 000 Euro eingegangen.

Dass Haas auch in seinem vierten Grand-Slam-Halbfinale und in seinem ersten Vorschlussrundenspiel in Wimbledon nicht einen Platz fürs ultimativ letzte Duell für zwei buchen konnte, lag anders als bei seinen drei australischen Anläufen aber nicht an ihm selbst - sondern am Champions, der ihm gegenüberstand. Wie in den letzten Jahren seiner beinahe makellosen Herrschaft entpuppte sich Federer auch an diesem Tag als exzellenter Stratege in den wenigen Augenblicken, in denen sich eins dieser großen Matches entscheidet.

Und so konnte Haas nur grimmig dreinschauen, als er den ersten Satz ohne Mühe bis zum Tiebreak offen gehalten hatte, dann aber in der Glückslotterie ein, zwei nonchalante Fehler produzierte, während sich Federer wie der eiskalte Björn Borg in seinen besten Zeiten nicht den geringsten Schlendrian erlaubte. "Das Problem ist gegen Federer: Du denkst, du müsstest jeden Schlag am Limit spielen und das Besondere probieren - und dann schleichen sich irgendwann die Fehler ein", sagte TV-Kommentator John McEnroe. Big Mäcs ewiger Widerpart Borg verfolgte das Match im übrigen genau so wie der legendäre Rod Laver aus der Royal Box: Im letzten Jahr hatte Federer noch eine neue Wimbledon-Rekordmarke mit sechs Siegen hintereinander verpasst, als er im Finale gegen Rafael Nadal verloren hatte.

Nicht nur die alten Herren, die Champions von früher, sondern auch die 15 000 Zuschauer waren beeindruckt, wie Haas gegen den Über-Spieler Federer auch nach den ersten Nackenschlägen nie die Moral und den Glauben an sich verlor. Was ihn in diesen Tagen wie nie zuvor in seiner Karriere auszeichnet - eine Standfestigkeit und Unerschütterlichkeit auch in kritischen Lagen -, das zeigte er auch in diesem ersten Wimbledon-Halbfinale von der ersten bis zur letzten Minute. Im zweiten Akt hielt Haas das Geschehen wieder bis auf die Zielgeraden offen, wehrte zwei Satzbälle ab, aber dann gab es beim 5:6 doch das allererste Break überhaupt im Match - für Federer, der in seinem 21. Grand-Slam-Halbfinale seine ganze Routine und Erfahrung ausspielte. Im dritten Satz wiederholte sich der Spiel-Film frappierend für Haas, der das erlebte, was so viele Gegner von Federer in den letzten Wimbledon-Jahren erlebten: Rückt der Eidgenosse einmal in die entscheidende Phase dieses Turniers vor, ist ihm einfach nicht mehr beizukommen, selbst nicht mit einer Spitzenleistung. Ein Break von Federer zum 5:3 genügte letztlich, um das Spiel endgültig zu entscheiden. Federer sprach später zu recht davon, "dass Tommy extrem gut gespielt hat". Aber er selbst, der Rasenflüsterer, war eben noch ein bisschen besser und stärker. So wie fast immer.