Tommy Haas lässt sich beim Siegeszug in Wimbledon auch von Novak Djokovic nicht stoppen. Im Halbfinale kommt es für den 31-jährigen Hamburger zum Duell mit Topfavorit Roger Federer.

London. Im Spätherbst seiner Karriere steht Tommy Haas erstmals im Halbfinale von Wimbledon. Der 31-Jährige setzte seinen sensationellen Siegeszug bei den 123. All England Championships mit einem 7:5, 7:6 (8:6), 4:6, 6:3 gegen den serbischen Weltranglistenvierten Novak Djokovic fort und bestätigte eindrucksvoll, dass sein Turniersieg in Halle keine Eintagsfliege war.

"Es ist unglaublich, ein tolles Gefühl. Das war mein bestes Tennis, mein bester Erfolg, und ich habe mich am besten gefühlt", sagte Haas, und es sprudelte voller Euphorie weiter aus ihm heraus. "Halle hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, das mir lange gefehlt hat." Das Haas-Märchen geht in der Vorschlussrunde gegen Roger Federer weiter, der sich im Aufschlaggewitter des Kroaten Ivo Karlovic mit 6:3, 7:5, 7:6 (7:3) durchsetzte. "Ich wäre noch selbstbewusster, wenn ich auch letztes Jahr hier gewonnen hätte", meinte der fünfmalige Champion aus der Schweiz, der dem verletzt fehlenden Spanier Rafael Nadal vor zwölf Monaten unterlegen war.

"Er ist der große Titelfavorit hier, gegen ihn kann man nur wenig machen", meinte Haas. "Aber ich werde alles versuchen und ihn ein bisschen ärgern." Von den elf Vergleichen mit dem Schweizer hat Haas neun verloren, zuletzt im Achtelfinale bei den French Open. Auf dem "heiligen Rasen" fiel das Achtelfinale der beiden 2007 aus, weil Haas eine Bauchmuskelverletzung plagte.

Im Duell des ältesten Spielers im Turnier gegen den jüngsten setzte der 31-Jährige Haas die Akzente. Unglaublich sein Einsatz und die Art und Weise, wie er selbst beste Bälle seines Gegenübers erlief - oder vorausahnte, wohin sie kommen würden. "Tommy hat seine Chance gesehen und genutzt. Er strotzt vor Selbstvertrauen", sagte Daviscupkapitän Patrik Kühnen. Doch auch der 22-jährige Serbe begann ungeheuer konzentriert und entschlossen. Die finale Pleite von Halle wollte er unbedingt ausmerzen. "Aber Tommy hat so stark gespielt, da hatte ich keine Chance", sagte Djokovic.

Haas, bislang nur bei den Australian Open (1999, 2002, 2007) im Halbfinale, wirkte bei schwüler Hitze und über 30 Grad frischer und lauffreudiger. Dazu brillierte er über weite Strecken mit Serve-and-Volley, wie es die Altmeister Boris Becker und Pete Sampras nicht besser hätten vorführen können. Weil auch der Aufschlag wieder bestens kam, hatte Djokovic in den entscheidenden Momenten meist das Nachsehen. So im ersten Satz, als Haas zum 6:5 das Break gelang. Gleiches gelang Haas auch im zweiten Satz, doch diesmal kämpfte Djokovic zurück - um im Tiebreak trotz dreier Satzbälle doch zu verlieren. "Wach endlich auf, du hast die Chance, 2:0 in Führung zu gehen", erzählte Haas, wie er sich selbst zur Ordnung gerufen hatte.

Danach fühlte er sich offensichtlich zu sicher und ließ ein wenig die Zügel schleifen. Das bestrafte Djokovic sofort und verkürzte auf 1:2 Sätze. Früher wäre der Wahl- Amerikaner explodiert und hätte sich und andere mit bösen Worten überzogen. Doch der gewandelte Haas kämpfte unverdrossen weiter, schaffte zum 3:1 das Break und ist als Wimbledon-Halbfinalist zurück unter den besten 20 der Weltrangliste.