Ein 21 Jahre alter Mensch, der für seine berufliche Karriere kein Ziel mehr nennen kann, muss entweder verdammt glücklich, unglaublich gut oder erschreckend fantasielos sein.

Hamburg. Wer Susi Kentikian kennt, der weiß, dass eine Mischung aus den beiden ersten Punkten verantwortlich dafür ist, dass sie auf die Frage nach dem sportlichen Traum spontan keine Antwort finden kann. Die Hamburgerin dominiert ihre Gewichtklasse, das Fliegengewicht (Limit bis 50,802 kg), fast nach Belieben. Deshalb darf sie ihre WBA- und WIBF-WM-Titel am Sonnabend im zweiten Hauptkampf der Universum Champions Night in der Color-Line-Arena gegen die Argentinierin Carolina Gaite verteidigen. Die 32-Jährige ist WBA-Weltmeisterin im Superfliegengewicht und kochte für die Chance, Kentikian deren Gürtel zu entreißen, in der Vorbereitung zwei Kilogramm mehr Gewicht ab als üblich, um im nächsttieferen Limit in den Ring steigen zu können. "Das ist eine große Herausforderung für mich. Zwar ist es keine klassische Titelvereinigung, aber ein Kampf gegen eine Weltmeisterin ist immer etwas Besonderes", sagt Kentikian.

Ihre Motivation zieht die 153 cm kleine Powerfrau jedoch auch daraus, dass "jede Lebensphase immer wieder etwas Neues bringt". In der Weltwirtschaftskrise ist diese Neuerung allerdings weniger im sportlichen Bereich eingetreten, sondern in der Vermarktung. Kentikian war das Gesicht des "Fight Night"-Konzeptes, das der Münchner Privatsender Pro Sieben in Kooperation mit ihrem Promoter Spotlight entwickelt hatte. Ihr Punktsieg über Elena Reid (USA) am 20. März in der Sporthalle Hamburg war jedoch der letzte Auftritt im Pro-Sieben-Programm. Quoten von weniger als zwei Millionen zwangen die Macher zum Rückzug aus dem Faustkampf. Glück für Kentikian: Spotlight-Mutter Universum, zunächst noch bis Sommer 2010 an das ZDF gebunden, setzt große Hoffnungen auf die kleine Kämpferin. Ihr Duell mit Gaite ist gleichzeitig ihr Debüt beim Mainzer Sender, der Ausschnitte im Anschluss an das Sportstudio senden wird.

"Ich freue mich sehr, im ZDF zu sehen zu sein. Dort habe ich die Chance, einem breiteren Publikum bekannt zu werden", sagt Kentikian, die sich allerdings auch größerer Konkurrenz stellen muss. Das ZDF hat als Nachfolgerin der im November 2007 zurückgetretenen "Quoten-Queen" Regina Halmich bislang Federgewichts-Weltmeisterin Ina Menzer aufgebaut. Auch Alesia Graf, WIBF- und GBU-Doppelchampionesse im Juniorbantamgewicht, die ihre Titel in Hamburg gegen Terri Lynn Cruz (USA) verteidigt, hofft auf erhöhte TV-Präsenz. Kentikian scheut diese Konkurrenz nicht: "Wenn ich interessante Kämpfe zeige, wird das ZDF mich ins Programm nehmen. Das gilt aber auch für Alesia und Ina. Bei den Männern gibt es doch auch viele Zugpferde."

Dass auch Universum im Falle des Scheiterns der derzeit laufenden Verhandlungen mit dem ZDF ab Sommer 2010 ohne TV-Partner dastehen könnte, ist für Kentikian kein Anlass zur Sorge. Sie möchte sich derzeit mit nichts anderem als dem Boxen beschäftigen. "Ich habe keine anderen Pläne, weil ich das Boxen liebe und damit noch viele Jahre Erfolg haben will", sagt sie. Viel besser kann man einen sportlichen Traum doch gar nicht formulieren.