Wie die Hamburger gegen den spanischen Titelverteidiger trotz der 29:30-Niederlage im Hinspiel das Finale erreichen wollen.

Ciudad Real. Als die Handballer des HSV am Freitagnachmittag auf dem Flughafen Madrid den neuen Mannschaftsbus des Club Balonmano Ciudad Real bestiegen, der sie in den nächsten zweieinhalb Stunden in die 200 Kilometer südlich gelegene Hauptstadt der Provinz Kastilien-La Mancha bringen sollte, wehte ihnen bei herrlichem Sonnenschein und Temperaturen um 18 Grad ein kalter, teils stürmischer Wind aus Nordost entgegen. Es mag die rechte Einstimmung auf die Herkulesaufgabe gewesen sein, die die Hamburger am Sonnabend (19 Uhr, Eurosport) im Halbfinalrückspiel der Champions League in der Quijote-Arena erwartet. Nach der 29:30-(13:12)-Niederlage im Hinspiel, fordert HSV-Präsident Andreas Rudolph, "müssen wir die Komfortzone verlassen und über die Schmerzgrenze gehen, um den Einzug ins Endspiel gegen den THW Kiel noch zu schaffen".

Das Kräftemessen mit der Weltauswahl des Titelverteidigers wird zur Charakterfrage. "Wir können nur bestehen, wenn wir 50, am besten 60 Minuten lang hochkronzentriert sind und jeden einzelnen Wurf wie einen Matchball betrachten", sagt Rückraum-Ass Blazenko Lackovic (28), "die Spanier lauern in der Abwehr nur auf Fehler und wollen mit Gegenstößen leichte Tore machen. Dann geht es zack, zack, zack - und du bist im Handumdrehen drei, vier Tore im Rückstand. Das ist auf diese Weise schon vielen guten Mannschaften gegen Ciudad Real und uns im Hinspiel passiert, das müssen wir diesmal dringend vermeiden."

11:5 hatten die Hamburger vor einer Woche in der Color-Line-Arena nach 16 Minuten geführt, als der Vorsprung sich in den nächsten 25 Minuten in einen 18:23-Rückstand wandelte. "Vielleicht neigen wir dazu, zu viel zu grübeln, wenn es mal nicht läuft, anstatt einfach stur weiterzuspielen", sagt Lackovic. Und möglicherweise sei diese frühe klare Führung auch Gift für das Team gewesen. "Plötzlich hatten wir etwas zu verlieren. Dann willst du es besonders gut machen, und das ist meist die beste Voraussetzung dafür, dass es besonders schlecht wird."

Besser für die innere Anspannung sei es wohl, meint der kroatische Olympiasieger von 2004, einem Rückstand hinterherzuwerfen, "das steigert die Aufmerksamkeit und schiebt den Druck auf den Gegner". Selbst wenn man zehn Minuten vor Schluss mit zwei Toren zurückliege, "bleibt genug Zeit, das Spiel zu drehen. Im modernen Handball reichen drei Minuten, um den Spielverlauf auf den Kopf zu stellen; auch gegen ein heimstarkes Team wie Ciudad Real, das in den vergangenen fünf Jahren zu Hause gerade zwei Spiele in der Champions Legaue verloren hat."

Vor einem Jahr zuletzt. Damals unterlagen die Spanier im Finale dem THW Kiel 27:29, um anschließend mit einem 31:25-Erfolg in der Ostseehalle den Pokal zu holen. Und Auswärtssiege, das stärkt das Selbstbewusstsein der Hamburger, scheinen im Europapokal mehr denn je möglich. "Nach den zahlreichen Indizien um manipulierte Spiele wird sich im Augenblick kein Schiedsrichtergespann irgendwelchen Verdächtigungen aussetzen wollen", hofft HSV-Boss Rudolph.

Im bislang wichtigsten Spiel der Saison fehlt Abwehrrecke Dimitri Torgowanow. Der Russe kann nach einer Außenbanddehnung sein linkes Knie nicht durchdrücken. Verschnupft sind Lackovic, Kreisläufer Bertrand Gille und Linksaußen Matthias Flohr, Rechtsaußen Stefan Schröder leidet unter einem Magen-Darm-Virus. Alle vier wollen spielen und können es auch, "wenn sich ihr Zustand über Nacht nicht verschlechtert", sagt Mannschaftsarzt Mathias Hock.